Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. betriebliches Interesse. Qualifizierungsmaßnahme im Rahmen der Personalgewinnung. Interessenbekundungsverfahren. Abgrenzung: Bewerbung für eine Beamtenlaufbahn. Versicherte Tätigkeit. Handlungstendenz. Freistellung von der Arbeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Teilnahme an einem vom Arbeitgeber organisierten Interessenbekundungsverfahren für die Beamtenlaufbahn ist noch der versicherten Tätigkeit im Beschäftigungsverhältnis zuzurechnen und nicht einem zukünftigen unversicherten Bewerbungsverfahren.

 

Normenkette

SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 04. April 2012 sowie der Bescheid der Beklagten vom 18. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2010 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 15. Oktober 2009 ein Arbeitsunfall war.

Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Anerkennung eines Ereignisses vom 15. Oktober 2009 als Arbeitsunfall.

Die 1967 geborene Klägerin ist Angestellte im Polizeidienst des Polizeipräsidenten Berlin. Im Rahmen eines internen Interessenbekundungsverfahrens - Qualifizierungsmaßnahmen für Tarifbeschäftigte der Berliner Polizei, die sich für eine Ausbildung im Polizeivollzugsdienst interessieren - nahm sie am 15. Oktober 2009 an einem Sporttest teil, der auch bei einem späteren tatsächlichen Einstellungsverfahren zu absolvieren gewesen wäre. Hierbei kam sie bei einem Sprung über ein Pferd unglücklich auf und zog sich einen offenen Schienbein-, Wadenbein- und Sprunggelenksbruch des linken Beines zu (Unfallanzeige vom 22. Oktober 2009). Wegen dieser Verletzung befand sich die Klägerin vom Unfalltag bis zum 5. November 2009 in stationärer Behandlung im Klinikum W.

Mit Bescheid vom 18. November 2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 15. Oktober 2009 als Arbeitsunfall ab und führte zur Begründung unter anderem aus, der Unfall habe sich als Teilnehmer an einer sportlichen Eignungsprüfung für den Polizeidienst ereignet, der nicht zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit erforderlich gewesen sei. Die Eignungsprüfung sei nicht aufgrund der derzeitigen Beschäftigung notwendig gewesen. Die Klägerin habe daher zum Zeitpunkt des Unfalls nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.

Im Widerspruchsverfahren zog die Beklagte unter anderem die Ausschreibung des internen Interessenbekundungsverfahrens vom 31. März 2009 sowie den Arbeitsvertrag der Klägerin vom 6. April 2001 bei. Mit Schreiben vom 5. Januar 2010 teilte der Arbeitgeber der Klägerin unter anderem mit, es habe eine Qualifizierungsoffensive gegeben, die sich vorrangig an interessierte Verwaltungsangestellte gerichtet habe, die an einer Tätigkeit im Polizeivollzugsdienst interessiert gewesen seien und die dann gegebenenfalls darauf vorbereitet werden sollten, die geforderten Einstellungstests zu bestehen, um letztlich eine Einstellung realisieren zu können. Dazu habe unter anderem neben einer Hospitation auf einer Vollzugsdienststelle auch die Teilnahme an einem Konditions- und Fitnesstest und dem Rechtskundeunterricht gehört. Der während der Dienstzeit der Klägerin durchgeführte Konditions- und Fitnesstest sei jedoch noch nicht im Zusammenhang mit einer tatsächlichen Bewerbung für den Polizeivollzugsdienst zu sehen, sondern allein im Vorfeld mit einer Bekundung ihres Interesses an einer solchen Tätigkeit und der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Hospitation sowie der probeweisen Teilnahme an dem in einem Einstellungsverfahren zu absolvierenden Einstellungstest. Auch eine erfolgreiche Absolvierung dieses Probeverlaufs hätte noch nicht zu einer Einstellungszusage mit dem Ziel der Übernahme in ein Beamtenverhältnis geführt. Vielmehr hätte den Tarifbeschäftigten zunächst das Tätigkeitsfeld und die Anforderungen, die an einen Vollzugsbeamten gestellt würden, nahe gebracht werden und ihnen eine attraktive Entwicklungsmöglichkeit durch die Perspektive eines möglichen Eintritts in den Vollzugsdienst aufgezeigt werden sollen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zu Begründung unter anderem aus, die Teilnahme am Eignungstest sei nicht Gegenstand der von der Klägerin geschuldeten Arbeitstätigkeit gewesen, dies ergebe sich bereits daraus, dass der Arbeitgeber die Klägerin - wie diese selbst vorgetragen habe - für die Zeit des Tests von der Arbeit befreit habe. Der Sporteignungstest im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens stelle auch keinen Betriebssport dar. Kraft Gesetzes seien auch Personen versichert, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterzögen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit erforderlich seien, soweit...

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