Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. selbständige Betreiberin eines Backshops. Versicherungspflicht. arbeitnehmerähnliche Selbständige. Auftraggeber. Partner- und Systemvertrag

 

Orientierungssatz

Die durch einen Partner- und Systemvertrag begründete Tätigkeit als selbständige Betreiberin eines Backshops unterliegt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.11.2009; Aktenzeichen B 12 R 3/08 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Mai 2005 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist die Versicherungs- und Beitragspflicht der Klägerin als selbständige Betreiberin eines “Kamps-Backshops„ im Zeitraum vom 01. Dezember 2002 bis 30. November 2003.

Die 1953 geborene Klägerin schloss unter dem 22. November 2002 mit der Kamps Berlin GmbH (im folgenden Kamps) einen “Partner- und Systemvertrag„, wonach die Klägerin als selbständige Kauffrau einen “Kamps-Backshop„ zum 01. November 2002 übernahm und sich verpflichtete, in diesem Backwaren und Handelswaren im wesentlichen an Endverbraucher im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu vertreiben. Der Klägerin wurde von Kamps ein schlüsselfertig eingerichteter Backshop überlassen, dessen Mieter Kamps ist. Die Klägerin ist nach dem Vertrag verpflichtet, alle Backwaren von Kamps zu beziehen, darf diese aber in Eigenleistung veredeln (z. B. Zubereitung von Snacks oder belegten Brötchen). Der Klägerin wird von Kamps ein Verkaufspreis unverbindlich empfohlen, der Grundlage für den jeweils eingeräumten (Provisions-) Rabatt ist. Sie hat gegenüber Kamps folgende Zahlungsverpflichtungen:

- einmalige Eintrittsgebühr von 1.000,00 Euro

- monatliche Systemgebühr von 1 % des monatlichen Brutto-Umsatzes

- Entgelte für von Kamps gelieferte Waren, sowie gegebenenfalls eine im Einzelnen festgelegte Retouren-Rückbelastung.

Weitergehende Zahlungsverpflichtungen treffen die Klägerin nicht. Sie ist außerdem verpflichtet, einen sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter zu beschäftigen (§ 6 Nr. 5 des Vertrages). Sie hatte außerdem eine unwiderrufliche, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank über anfangs 4.000,00 und ab 01. März 2003 6.250,00 Euro beizubringen.

Entsprechend der vertraglichen Abrede betrieb die Klägerin ab Dezember 2002 den in B-L gelegenen ca. 30 qm großen Backshop. Ein entsprechendes Gewerbe hatte sie angemeldet. Anfangs betrieb sie den Backshop mit einer nur geringfügig beschäftigten Arbeitnehmerin; diese Arbeitnehmerin wurde von der Klägerin ab 01. Dezember 2003 mehr als geringfügig beschäftigt. Die Klägerin erzielte nach ihren erstinstanzlich gemachten Angaben bei ca. 6.500 Kunden pro Monat einen Umsatz von ca. 15.000,00 Euro und demgemäß betrug die monatliche Systemgebühr ca. 150,00 Euro.

Die Beklagte stellte auf das von Kamps beantragte Status-Feststellungsverfahren gemäß §§ 7 a f. des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) mit Bescheid vom 14. Juni 2004 mit Geltung für die Dauer des Bestehens des beurteilten Vertragsverhältnisses fest, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin um eine selbständige Tätigkeit handelt; eine abhängige Beschäftigung liege nicht vor.

Auf Anforderung der Beklagten übersandte die Klägerin im September 2004 den “Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige„. Anschließend stellte die Beklagte mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 29. September 2004 fest, dass die Klägerin im Zeitraum vom 01. Dezember 2002 bis 30. November 2003 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig gewesen sei; es wurden Beiträge in Höhe des halben Regelbeitrages und damit insgesamt 2.776,50 Euro gefordert.

Der Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, sie sei nicht nur für einen Auftraggeber tätig, da sie von Kamps weder Aufträge noch Geld bekomme, denn Kamps sei nur ihr Backwarenlieferant, blieb erfolglos, da die Beklagte weiterhin annahm, die Klägerin sei wirtschaftlich von einem einzigen Auftraggeber, nämlich Kamps, abhängig (Widerspruchsbescheid vom 06. Januar 2005).

Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 03. Februar 2005 zum Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage gewandt, mit der sie sich weiterhin gegen eine Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung gewehrt hat. Sie hat dazu die Auffassung vertreten, es liege kein Auftragsverhältnis im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI zu Kamps vor. Auftraggeber seien vielmehr ihre Kunden, die bei ihr die Backwaren kauften. Ihr Lieferant könne nicht der Auftraggeber sein. Die Höhe des Umsatzes, den sie erwirtschafte, sei allein von ihren Fähigkeiten und ihrem unternehmerischen Einsatz abhängig.

Das SG ist mit Urteil vom 30. Mai 2005 der klägerischen Auffassung gefolgt und hat den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI seien selbst...

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