Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung der Rechtsanwaltsgebühr bei mehreren Auftraggebern in derselben Angelegenheit. Prozesskostenhilfe. Wert des Beschwerdegegenstandes. Bedarfsgemeinschaft. Erhöhungsgebühr. Untätigkeitsklage

 

Orientierungssatz

1. Ein Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, erhält die Gebühr nach § 7 Abs. 1 RVG nur einmal. Dies gilt auch bei Individualansprüchen des SGB 2. Leben mehrere Antragsteller in einer Bedarfsgemeinschaft und ist derselbe Bewilligungszeitraum betroffen, so erhält der Anwalt die Gebühr gemäß § 7 Abs. 1 i. V. m. § 15 Abs. 1 S. 1 RVG in derselben Angelegenheit nur einmal.

2. Nach Nr. 1008 VV RVG erhöht sich die Geschäfts- oder Verfahrensgebühr um 30 % für jede weitere Person, wenn Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen sind. Für die Schwellengebühr von 300.- €. gilt eine Obergrenze von 570,- €.

 

Normenkette

RVG § 15 Abs. 2 S. 1, §§ 3, 7 Abs. 1, § 14 Abs. 1; VV RVG Nrn. 1008, 2302; SGG § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 172 Abs. 3 Nr. 2, § 88

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. August 2016 wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

Die Beschwerde der Kläger ist unzulässig und war entsprechend zu verwerfen, weil sie in Verfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) gesetzlich ausgeschlossen ist, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte (vgl § 172 Abs. 3 Nr 2b Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Letzteres ist hier der Fall, weil der Beschwerdewert nicht mehr als 750,- € beträgt (vgl § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr 1 SGG).

Soweit die Kläger mit ihrem - unbezifferten - Hauptantrag die Verurteilung des Beklagten zur Tragung der Kosten ihres Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 26. Juni 2015 begehren, kommt ein Beschwerdewert von mehr als 750,- € nicht in Betracht. Im Einzelnen gilt insoweit Folgendes:

Ein Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, erhält die Gebühr nach § 7 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nur einmal. Er kann sie nach § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG "in derselben Angelegenheit" nur einmal fordern Vor diesem Hintergrund sind die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts (BSG) davon ausgegangen, dass es sich auch bei Individualansprüchen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) grundsätzlich um dieselbe Angelegenheit iS des § 15 Abs. 2 RVG handeln kann, wobei die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft dann eine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG auslöst (vgl BSG Urteil vom 21. Dezember 2009 - B 14 AS 83/08 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 11 Rn 20 ff; BSG, Urteil vom 27. September 2011 - B 4 AS 155/10 R = SozR 4-1935 § 7 Nr 1 Rn 22 mwN; BSG, Urteil vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R - juris). Grundsätzlich können daher auch im SGB II mehrere Aufträge verschiedener Auftraggeber "dieselbe Angelegenheit" sein. So liegt der Fall auch hier, da es sich im den einheitlichen “Rechtswidrigkeitsgrund„ der Anrechnung von Kindergeld bei den Klägern handelte.

Lag demnach dieselbe Angelegenheit iS des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG vor, kommt unabhängig von der streitigen Rechtsfrage, ob Kosten des Vorverfahrens überhaupt zu ersetzen sind, ein Kostenansatz von mehr als 750,- € nicht in Betracht. § 3 Abs. 1 RVG bestimmt, dass in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren entstehen. Dies gilt nach § 3 Abs. 2 RVG entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens. Nach § 14 Abs. 1 RVG bestimmt bei Rahmengebühren der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Gemäß Nr. 2302 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG umfasst die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten dabei einen Betragsrahmen von 50,- € bis 640,- €. Eine Gebühr von mehr als 300,- € kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (sog Schwellengebühr). Innerhalb dieses Gebührenrahmens bewegt sich das Bestimmungsrecht des Rechtsanwalts. Eine Geschäftsgebühr iHv 300,- ist hier nicht als unbillig anzunehmen. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war hier allenfalls nur durchschnittlich. Im Hinblick auf den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war ebenfalls Durchschnittlichkeit gegeben.

Nach Nr. 1008 VV RVG erhöht sich die Geschäfts- oder Verfahrensgebühr bei Betragsrahmengebühren der Mindest- und Höchstbetrag um 30 % für jede weitere Person, wenn Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen sind. Entsprechend erhöht sich bei mehreren Auftraggebern auch die Schwellengebühr nach der Anzahl der Auftraggeber um jeweils 30 % bis maximal zum Doppelten des Ausgangsbetrages. Der Senat schließt sic...

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