Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. selbständige Tätigkeit. Privatentnahmen und steuerliche Abschreibungen. Bindung an den Gewinn laut Steuerbescheid. Aufteilung der Unterkunftskosten

 

Orientierungssatz

1. Bei der Berechnung des Einkommens ua aus selbständiger Arbeit ist gem § 2a AlgIIV idF vom 22.8.2005 mWv 1.10.2005 grundsätzlich vom Arbeitseinkommen iS des § 15 SGB 4 auszugehen.

2. Steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten und Privatentnahmen sind daher zumindest ab 1.10.2005 nicht als Einkommen nach § 11 SGB 2 zu berücksichtigen. Privatentnahmen beruhen auf der Verfügungsbefugnis des Selbständigen über sein Betriebsvermögen und werden der Vermögenssubstanz entnommen. Sie sind als Rechnungsposten beim Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs 1 EStG nicht das Ergebnis unternehmerischer Tätigkeit und damit kein Einkommen iS des § 15 SGB 4.

3. Die Verwaltung ist an den durch Steuerbescheid der Finanzbehörde festgestellten Gewinn gebunden. Eine Möglichkeit, bestimmte Absetzungen dem steuerrechtlichen Gewinn wieder hinzuzurechnen, besteht nicht.

4. Jährlich entstehende Kosten für Unterkunft und Heizung sind monatsweise umzulegen. Von den Gesamtkosten eines teils anders genutzten Eigenheims kann nur der Anteil berücksichtigt werden, der auf den von den Hilfebedürftigen tatsächlich genutzten Wohnraum entfällt. Gehört der Haushaltsgemeinschaft eine nicht zur Bedarfsgemeinschaft zählende Person an, so sind die Unterkunftskosten nach Kopfzahl aufzuteilen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 25. Februar 2007 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin zu 1) vorläufig weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 65,13 Euro und dem Antragsteller zu 2) monatlich Leistungen in Höhe von 117,86 Euro zu gewähren, für April 2007 jeweils anteilig für die verbleibenden Tage vom Zeitpunkt des Zugangs dieses Beschlusses per Telefax an. Die Leistungen sind bis zu einer bestandkräftigen Entscheidung über den Widerspruch, längstens jedoch bis zum 31. Mai 2007 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat den Antragstellern die Kosten des gesamten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die verheirateten Antragsteller leben gemeinsam in einer rund 88 qm großen 3-Zimmer-Wohnung im 1. Stock eines Hauses, dessen Eigentümer sie sind. Das Haus hat eine Nutzfläche von rund 260 qm; im Erdgeschoss befindet sich eine von den Antragstellern betriebene Gaststätte (Inhaber ist der Antragsteller zu 2). Im ersten Stock befindet sich neben der von den Antragstellern bewohnten Wohnung eine weitere, abgeschlossene 1 Zimmer-Wohnung (rund 35 qm), die von der pflegebedürftigen Mutter des Antragstellers zu 2), L P, mietfrei bewohnt wird. In der Wohnung der Antragsteller nutzt der 1983 geborene, seit September 2006 berufstätige Sohn M mietfrei ein Zimmer, nach Angaben der Antragsteller aber nur gelegentlich am Wochenende. Er wohne überwiegend bei seiner Freundin in T. Die 1985 geborene Tochter M lebt seit dem 1. Juni 2005 nicht mehr im Elternhaus.

Der Antragsteller zu 2) bezieht (derzeit befristet bis zum 31. Juli 2007) eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitmarktes von der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg. Monatlich werden 594,83 Euro ausgezahlt. Seine Mutter zahlt an ihn zumindest Teile des ihr gewährten Pflegegeldes nach der Pflegestufe II. Daneben fließen ihm anteilig Mieteinnahmen aus Vermietung einer Wohnung im Haus GStr. 3a in G in Höhe von 62,50 Euro monatlich zu, das ihm (mit einem Anteil von einem Viertel) in ungeteilter Erbengemeinschaft mit seiner Tante E P gehört und von seiner Tante zugleich (mietfrei) bewohnt wird. Die Höhe der anzurechnenden Einkünfte der Antragsteller aus dem Betrieb der Gaststätte ist streitig.

Die Antragsteller zahlen wegen der für das Haus bestehenden Kreditverbindlichkeiten monatlich Zinsen in Höhe von 438,02 Euro und eine monatliche Tilgungsrate in Höhe von 139, 94 Euro an die W Bank AG sowie für das gesamte Haus jährlich Nebenkosten in Höhe von 1270,45 Euro (Grundsteuer, öffentliche Abgaben wie Müllabfuhr, Kanalisation etc., Wassergeld und Gebäudeversicherungen). Daneben fällt monatliche Abschlagzahlungen für Energiekosten in Höhe von 420 Euro für einen Energieliefervertrag Erdgas an.

Im Anschluss an vorangegangene Bewilligungsabschnitte beantragten die Antragsteller bei dem Antragsgegner am 17. Oktober 2006 für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Dezember 2006 bis zum 31. Mai 2007 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Der Antragsgegner bewilligte der Antragstellerin zu 1) mit Bescheid vom 19. Dezember 2006 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende in Höhe von 52,73 Euro monatlich. Dabei berücksichtigte er einen Gesamtbedarf in Höhe von 524 Euro (Regelleistung in Höhe von 311 Euro, Kosten d...

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