Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostentragung im sozialgerichtlichen Verfahren bei Untätigkeitsklage

 

Orientierungssatz

Die Beklagte hat die notwendigen Kosten einer Untätigkeitsklage zu tragen, wenn ihr der Beweis über die rechtzeitige Zustellung des Widerspruchsbescheides nicht gelingt.

 

Tatbestand

Die Klägerin legte am 02. Januar 2003 Widerspruch u.a. gegen zwei Bescheide der Beklagten vom 2. und 17. Dezember 2002 ein. Mit Schreiben vom 13. Januar 2003 legte die Klägerin einen weiteren Widerspruch nunmehr gegen einen Bescheid der Beklagten vom 27. Dezember 2002 ein. Mit Schreiben vom 22. Mai 2003 beantragte die Klägerin dann, “die Bescheide vom 22.10., 02.12., 17.12. und 27.12.2002" aufzuheben und begründete dies schriftlich. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2003 verwarf die Beklagte den Widerspruch der Klägerin betreffend den Bescheid vom 24. Oktober 2002 (diesbezüglich war von der Klägerin im Widerspruchsschreiben vom 22. Mai 2003 fälschlich das Datum “22.10." genannt") als unzulässig und wies den Widerspruch gegen die Bescheide vom 17. und 27. Dezember 2002 als unbegründet zurück. Inwieweit der Widerspruchsbescheid an die Klägerin abgesandt wurde, ist aus den Verwaltungsakten der Beklagten nicht zu entnehmen; ein Absendevermerk fehlt.

Am 27. Mai 2004 hat die Klägerin Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Potsdam erhoben. Die Beklagte hat daraufhin die Kopie des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2003 zur Gerichtsakte gereicht. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat aufgrund dessen unter Hinweis darauf, dass der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 26. August 2003 erst mit dem gerichtlichen Schreiben vom 03. August 2004 bei ihm am 05. August 2004 eingegangen sei, die Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt,

der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Mit Beschluss vom 14. Oktober 2004 hat das Sozialgericht Potsdam der Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt und zur Begründung ausgeführt, diese hätte bei der Beklagten durch ein kurzes Telefonat oder Schreiben nachfragen können, ob bereits ein Widerspruchsbescheid ergangen war.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 08. November 2004 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 02. Dezember 2004 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, die Kostenentscheidung des Sozialgerichts sei ermessensfehlerhaft und unbillig. Der Widerspruchsbescheid sei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin erst im Rahmen der Untätigkeitsklage zur Kenntnis gelangt.

Das Sozialgericht Potsdam hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten zur Stammnummer 039A338277 verwiesen, die der Entscheidung zugrunde gelegen haben.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist statthaft und zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -. Sie ist im tenorierten Umfang auch begründet, da das Sozialgericht zu Unrecht der Klägerin die Kosten des Verfahrens vollständig auferlegt hat.

Nachdem sich die Hauptsache anders als durch Urteil erledigt hat, nämlich durch die - einseitige- Erledigungserklärung durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die als Rücknahme im Sinne des § 102 SGG zu werten ist, ist gem. § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG über die Kosten auf Antrag durch Beschluss zu entscheiden. Diese Kostenentscheidung ist grundsätzlich unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu treffen. Dabei ist nach allgemeiner Ansicht sowohl Raum für die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage im Zeitpunkt der Erledigung der Hauptsache als auch der Gründe, die zur Klageerhebung sowie zur Erledigung geführt haben (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Auflage, § 193 Rn. 13 m.w.N.).

Danach entspricht es schon nicht den gesetzlichen Regelungen des SGG, der Klägerin die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens aufzuerlegen. Eine derartige Kostenauferlegung sieht das Gericht lediglich bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 197a Abs. 1 Satz 1 3. Halbsatz SGG i.V.m § 161 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- vor, die hier jedoch eindeutig nicht vorliegen. Vorliegend ist die Kostenregelung des § 193 Abs. 1 SGG anzuwenden. Hiernach entspricht es aber billigem Ermessen, dass die Beklagte der Klägerin die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten hat.

Ihre Untätigkeitsklage vom 27. Mai 2004 ist deutlich nach Ablauf der Sperrfrist nach § 88 Abs. 2 SGG erhoben worden. Danach darf die Antragstellerin mit einer Entscheidung über ihren Widerspruch in einer Frist von drei Monaten rechnen, sofern die Antragsgegnerin keinen zureichenden Grund für Ihre Untätigkeit hatte und diesen Grund auch nicht mitgeteilt hat (Leitherer a.a.O., Rn. 13 c m.w.N.). Zwar hatte die Beklagte zum Zeitpunkt der Erhebung der Untätigkeitsklage bereits einen Widerspruchsbescheid erlassen, nämlich am 26. August 2003, j...

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