Entscheidungsstichwort (Thema)

Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes zur Übernahme von Mietschulden durch einstweiligen Rechtsschutz. Übernahme von Mietschulden. Ermessen. Eilbedürftigkeit. Drohende Wohnungslosigkeit. Räumungsklage

 

Orientierungssatz

1. Begehrt der Antragsteller die Verpflichtung des Grundsicherungsträgers zur Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, so hat er u. a. einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Baldige Wohnungslosigkeit droht noch nicht, wenn eine Kündigung vorliegt und der Vermieter eine Räumungsklage lediglich angedroht hat. Der erforderliche Anordnungsgrund ist frühestens ab Zustellung einer Räumungsklage gegeben.

2. Drohende Wohnungslosigkeit bedeutet den drohenden Verlust der bewohnten kostenangemessenen Wohnung bei fehlender Möglichkeit, ebenfalls angemessenen Ersatzwohnraum zu erhalten.

3. Eine Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 S. 1 SGB 2 ist nicht gerechtfertigt, wenn durch diese der Verlust der Wohnung nicht abgewendet werden kann.

 

Normenkette

SGB II § 22 Abs. 8; SGG § 86b Abs. 2; ZPO § 704

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 3. Februar 2016 wird als unzulässig verworfen.

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 3. Februar 2016 geändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird in vollem Umfang abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren um die Übernahme von Mietschulden nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von (noch) 832,61 €.

Die am 1972 geborene Antragstellerin zu 1) wohnt mit dem am 5. April 1993 geborenen Antragsteller zu 2) und der am 2004 geborenen Antragstellerin zu 3) unter der im Rubrum angegebenen Anschrift, einer 3-Zimmer-Wohnung mit einer monatlichen Grundmiete in Höhe von 473,70 €. Nach eigenen Angaben hat die Antragstellerin zu 1) die alleinige Sorgeberechtigung für die Antragstellerin zu 3).

Die Antragsteller stehen im laufenden Leistungsbezug bei dem Antragsgegner (Bescheid vom 28. Mai 2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 8. Juli 2015, 20. August 2015 und 10. September 2015 - Leistungszeitraum vom 1. Juni 2015 bis 30. November 2915 und zuletzt Bescheid vom 10. November 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. November 2015 - Leistungszeitraum vom 1. Dezember 2015 bis 30. November 2016). Mit Bescheid vom 27. August 2015 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund der Antragstellerin zu 1) eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2015 in Höhe von monatlich 718,75 € (Zahlbetrag).

Bis einschließlich Oktober 2015 überwies der Antragsgegner bewilligte Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 473,70 € direkt an die Vermieterin, die WHG Wohnungsbau- und Hausverwaltungs-GmbH. Ein am 23. Juli 2015 ausgewiesenes Betriebskostenguthaben in Höhe von 234,22 € wurde (daher) nicht an die Antragsteller ausgezahlt. Ab November 2015 zahlte der Antragsgegner Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 325,83 € wieder direkt an die Antragstellerin zu 1) aus, weil diese zunächst mündlich darum bat (Telefonvermerk vom 10. September 2015) und sodann mit Schreiben vom 15. September 2015, bei dem Antragsgegner am 16. September 2015 eingegangen, die Direktzahlung an die Vermieterin widerrufen hatte. Der geringere Betrag für Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 325,83 € basiert auf der Anrechnung der Rente wegen voller Erwerbsminderung, worüber die Antragstellerin zu 1) mit Bescheid vom 10. September 2015 in Kenntnis gesetzt wurde. Darin wies der Antragsgegner die Antragstellerin zu 1) darauf hin, dass der Leistungsanspruch ab Oktober 2015 geringer sei als die zu zahlende Miete und die Differenz zur Miete von ihr selbst an ihre Vermieterin zu zahlen sei.

Mit Änderungsbescheid vom 15. September 2015 bewilligte der Antragsgegner für die Zeit vom 1. Oktober 2015 bis 30. November 2015 (wegen der Anrechnung der Erwerbsminderungsrente) Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 325,83 € und wies darauf hin, dass die Leistungen wegen der am 10. September 2015 von der Antragstellerin zu1) telefonisch ausgesprochenen Bitte, die Leistungen nicht mehr an den Vermieter zu überweisen, ab Oktober 2015 an sie (die Antragstellerin zu 1) gezahlt würden.

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2015 kündigte die Vermieterin gemäß § 543 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) das Mietverhältnis gegenüber der Antragstellerin zu 1) fristlos wegen Zahlungsverzugs. Das Kündigungsschreiben, das die Vermieterin auch dem Antragsgegner (dort am 7. Dezember 2015 eingegangen) zur Kenntnis gegeben hatte, wies einen Mietrückstand per 3. Dezember 2015 in Höhe von 1.066,83 € aus. Die Mietsache sei zum 15. Dezember 2015 zurückzugeben. Erfolge dies nicht fristgemäß würde Räumungsklage erhoben.

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