Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeldanspruch. Arbeitnehmereigenschaft. abhängige Beschäftigung. GmbH-Geschäftsführer. Minderheitsbeteiligung. Personenidentität der Geschäftsführer und Gesellschafter

 

Orientierungssatz

Bei GmbH-Geschäftsführern mit Minderheitsbeteiligung, die sämtlich zugleich alleinige Gesellschafter der Gesellschaft sind, ist eine Arbeitnehmereigenschaft iS von § 183 Abs 1 S 1 SGB 3 iVm § 7 Abs 1 SGB 4 mangels Weisungsgebundenheit regelmäßig ausgeschlossen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.07.2007; Aktenzeichen B 11a AL 5/06 R)

 

Tatbestand

Der Kläger erstrebt die Gewährung von Insolvenzgeld.

Der im Jahre 1939 geborene Kläger war bis Ende 1989 als Meister im Bereich der Produktion der Einzelfirma G beschäftigt. Im Januar 1990 gründete er gemeinsam mit drei weiteren Personen, darunter zwei bisherigen Arbeitskollegen, die G S GmbH, die den Geschäftsbetrieb der Einzelfirma G mit rund 45 Beschäftigten fortsetzte. Nach Ausscheiden eines Gesellschafters hielten der Kläger sowie die genannten Arbeitskollegen, der kaufmännische Leiter N. und der technische Leiter Z. der früheren Einzelfirma, je ein Drittel des Stammkapitals der GmbH. Über eine Sperrminorität verfügten die Gesellschafter nur betreffend die Änderung des Gesellschaftsvertrages, Umwandlungen und Verschmelzungen sowie den Abschluss von Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen bzw. sonstigen Unternehmensverträgen. Im März 1990 wurden die Gesellschafter zu Geschäftsführern der GmbH bestellt. Im Rahmen ihrer Geschäftsführertätigkeit waren sie jeweils alleinvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit. Unter Beibehaltung ihrer bisherigen Arbeitszeiten und Tätigkeiten leiteten der Kläger den Bereich der Produktion sowie N. den kaufmännischen und Z. den technischen Bereich. Unternehmerische Entscheidungen trafen die Gesellschafter/Geschäftsführer gemeinschaftlich während der Arbeitszeit im Betrieb. Sozialversicherungsbeiträge wurden für die Geschäftsführer nicht abgeführt, nachdem die AOK U mit Bescheid vom 26.04.1990 das Vorliegen sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse verneint hatte. Die Tätigkeit als Geschäftsführer übte der Kläger bis zum 31.10.2003 aus. Seither bezieht er Altersrente.

Am 18.12.2003 beantragte der Kläger unter Bezugnahme auf die am 01.12.2003 erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der G S GmbH bei der Beklagten Insolvenzgeld für ausstehenden Arbeitslohn aus der Zeit vom 01.09.2003 bis zum 31.10.2003. Zugleich legte er einen von ihm am 05.11.2003 mit der Sparkasse U unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Beklagte geschlossenen Vertrag über den Verkauf sowie die Übertragung seines um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelts für den Monat Oktober 2003 vor.

Mit Bescheid vom 21.01.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2004 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei als Gesellschafter/Geschäftsführer der G S GmbH nicht Arbeitnehmer gewesen. Vielmehr lege die Identität von Gesellschaftern einerseits und Geschäftsführern andererseits eine Betätigung im "eigenen" Unternehmen nahe; insbesondere sei ein für ein Arbeitnehmer-Arbeitgeber Verhältnis typischer Interessengegensatz kaum denkbar. Auch seien konkrete einseitige Weisungen der Gesellschafter hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung nicht erkennbar. Schließlich habe sich der Kläger auch nicht gegen die eine Sozialversicherungspflicht verneinende Entscheidung der AOK U gewandt.

Am 30.08.2004 hat der Kläger beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben und sein Begehren weiterverfolgt. Er hat vorgetragen, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liege eine abhängige Beschäftigung bei einem Gesellschafter/Geschäftsführer, der über keine Sperrminorität verfüge, in der Regel bereits dann vor, wenn er bei seiner Tätigkeit der Kontrolle durch die Gesellschafter unterliege und diese ihre Gesellschafterrechte auch tatsächlich ausübten. Dies sei hier der Fall. Unternehmerisch wesentliche Entscheidungen habe er nie allein, sondern ausschließlich mit den weiteren Gesellschaftern/Geschäftsführern getroffen. Dass dies jeweils im Konsens erfolgt sei, könne ihm nicht zum Nachteil gereichen. Einen beherrschenden Einfluss auf Grund Fachwissens oder besonderer Verantwortung habe er nicht gehabt. Was die Arbeitszeiten betreffe, sei vereinbart gewesen, die bisherigen Zeiten beizubehalten. Es sei nicht erlaubt und auch der Sache nach nicht möglich gewesen, Tätigkeiten zu Hause auszuführen. Dementsprechend hätten sich die Gesellschafter/Geschäftsführer auch in den Anstellungsverträgen verpflichtet, ihre gesamte Arbeitskraft ausschließlich dem Unternehmen zu widmen.

Mit Urteil vom 24.01.2005 hat das SG den Bescheid vom 21.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Monate September und Okto...

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