Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. bedarfsorientierte Grundsicherung. Nachzahlungsbegehren. keine Anwendbarkeit von § 44 SGB 10. kein Anspruch nach Landesrecht. Berücksichtigung der erfolgten Bedarfsdeckung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das erste Kapitel des SGB 10 (Verwaltungsverfahren) war für die Durchführung des vom 1.1.2003 bis zum 31.12.2004 geltenden GSiG vom 26.6.2001 (BGBl I 1310) insgesamt nicht anwendbar, weil eine der föderalen Regelung des § 1 Abs 1 S 2 SGB 10 entsprechende Bestimmung fehlte und die Grundsicherung nicht Teil der in § 9 SGB 1 angesprochenen Sozialhilfe war. Ein Anspruch auf Überprüfung bestandskräftiger Bescheide nach § 44 SGB 10 existiert daher nicht.

2. Die in Baden-Württemberg anwendbaren landesrechtlichen Verwaltungsverfahrensbestimmungen enthalten keine entsprechende Regelung.

 

Orientierungssatz

Selbst unter der Annahme, eine Rücknahme gem § 48 Abs 1 VwVfG BW wäre nach den landesrechtlichen Vorschriften möglich, wäre bei der Geltendmachung einer Nachgewährung höherer Leistungen der bedarfsorientierten Grundsicherung nach dem GSiG zum jetzigen Zeitpunkt wohl auch eine zwischenzeitlich eingetretene Bedarfsdeckung zu berücksichtigen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. September 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Überprüfung bestandskräftiger Bewilligungsbescheide über Leistungen der Grundsicherung für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004.

Der am … 1933 geborene Kläger schloss mit Wirkung vom 1. März 1996 einen Mietvertrag über die Wohnung H.weg, S.. Die monatliche Kaltmiete für die Wohnung betrug 750,- DM zuzüglich 50,- DM für einen Tiefgaragenstellplatz sowie 100,- DM für sonstige Betriebskostenvorauszahlungen, insgesamt also 900,- DM. Die Monatsmiete erhöhte sich nach dem Mietvertrag jeweils zum 1. März eines jeden Jahres um 10,- DM.

Mit Schreiben vom 5. März 1996, das keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass 800,- DM Kaltmiete (keine Staffelmiete) und die nachgewiesenen Heizkosten (monatliche Vorauszahlungen und einmal jährliche Abrechnung) anerkannt würden. Ansonsten würden keine Nebenkosten übernommen. Einwände hiergegen hatte der Kläger nach dem Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten nicht geltend gemacht.

In der Folgezeit gewährte die Beklagte dem Kläger Sozialhilfe als laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Dabei wurden bei der Bedarfsberechnung jeweils 800,- DM, bzw. 409,03 € als Kosten der Unterkunft (KdU) berücksichtigt sowie Heizkosten in Höhe von zuletzt 109,- €. Über die Höhe der laufenden Leistungen ab dem Umzug in die neue Wohnung hatte die Beklagte mit Bescheiden vom 19. Februar und 15. Mai 1996, 2. Juli und 12. Dezember 1996, 20. Januar, 17. Juni und 18. September 1997, 22. Januar 1998, Juni 1998, 22. September und 2. November 1998, Juni 1999, 2. Juli und 21. September 1999, 3. und 13. Juli, 19. September und 19. Oktober 2000, 14. Februar, 29. Juni und 5. September 2001, 7. Januar, 14. Februar, 18. Juni, 20. August und 18. September 2002 entschieden.

In der Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 gewährte die Beklagte dem Kläger aufgrund der Bescheide vom 21. Januar, 2. Juli und 10. September 2003 und vom 24. März, 14. Juni und 7. Oktober 2004 Leistungen nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsgesetz ≪GSiG≫). Dabei wurden jeweils - aufgrund einer von der Beklagten unter dem 23. Dezember 2002 erfolgten - Prüfung der angemessenen Unterkunftskosten - Leistungen für die Kosten der Unterkunft in Höhe von 403,98 € berücksichtigt, die sich zusammensetzten aus 340,65 € Kaltmiete (45 qm angemessener Wohnraum x 7,57 € Quadratmetermietpreis) und 63,33 Euro Nebenkosten; zusätzlich wurden jeweils Heizkosten in Höhe von 108 bzw. 109 € berücksichtigt.

Außerdem bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 mit Bescheiden vom 21. Januar, 2. Juli und 10. September 2003 und vom 24. März, 14. Juni und 7. Oktober 2004 aufstockende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), weiterhin unter Anrechnung der Mietkosten (in bisheriger Höhe von 409,03 €) und unter Anrechnung der im gleichen Zeitraum bezogenen Grundsicherungsleistungen als Einkommen. Die Bescheide enthielten jeweils eine Rechtsbehelfsbelehrung; Widerspruch dagegen wurde nicht erhoben; der Kläger gab lediglich bei den jeweiligen Weiterbewilligungsanträgen die tatsächlichen Kosten der Unterkunft an.

Seit dem 1. Januar 2005 bezieht der Kläger Leistungen der Grundsicherung nach dem vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII). Mit Bescheid vom 11. April 2005 bewilligte die Beklagte zunächst ab 1. Januar 2005 die Mietkosten in tatsächlicher Höhe. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch u.a. mit der Begründung, der Ansatz, die Miete für die Wohnung Haselnuss...

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