Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialplanmaßnahme. Zuschuss. Eigenmittel. tatsächliche Kosten

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist nicht ermessensfehlerhaft, die Gewährung von Zuschüssen zu Sozialplanmaßnahmen abzulehnen, wenn das Unternehmen in einem Interessenausgleich hierfür finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, die die tatsächlich anfallenden Kosten übersteigen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Mai 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Zuschüsse zu Sozialplanmaßnahmen hat.

Die Klägerin ist die 100 %-ige Tochtergesellschaft eines weltweit tätigen Konzernunternehmens. Sie stellt Lacke und Farben her. Sie unterhält einen Produktions- und Verwaltungsbereich in Stuttgart. Die Klägerin beschloss im Jahre 2002, einen Teil der Produktion und Verwaltung des Standorts Stuttgart nach Spanien zu verlegen. Die Geschäftsleitung der Klägerin und der Betriebsrat des Standorts Stuttgart vereinbarten einen Interessenausgleich und eine Betriebsvereinbarung nach §§ 111, 112 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) vom 27. Mai 2002/3. Juni 2002. Danach sollten im Bereich Car refinishes maximal 29 Stellen in zwei Stufen (17 Stellen bis spätestens 31. Dezember 2002, die restlichen Stellen bis 30. Juni 2003) und im Bereich Transportation maximal 110 Stellen bis zum 30. Juni 2003 abgebaut werden. Die Klägerin stellte für die Vermittlung von Arbeitsplätzen und Qualifizierungsmaßnahmen bei ausscheidenden Arbeitnehmern einen Betrag von insgesamt € 350.000,00 zur Verfügung. Die Geschäftsleitung der Klägerin und der Betriebsrat des Standorts Stuttgart vereinbarten weiter einen Sozialplan vom 26. Juni 2002 und schlossen auch eine Vereinbarung vom 9. Juli 2002 über Maßnahmen zur Arbeitsplatzvermittlung und Qualifizierung der ausscheidenden Mitarbeiter.

Die Klägerin beantragte Zuschüsse zu Sozialplanmaßnahmen formlos am 5. August 2002 bei einem Beratungsgespräch beim L. (heute R.) B.-W. sowie mit Schreiben vom 21. November 2002 zu folgenden Sozialplanmaßnahmen: sechs Gruppenberatungen zur beruflichen Neuorientierung, durchgeführt von einer Unternehmensberatung, Freistellungskosten der betroffenen Mitarbeiter, Freistellungskosten für zwei Mitarbeiter für die (von der Klägerin unterstützte) Job-Börse, Freistellungskosten für eine Mitarbeiterin für Schreibarbeiten im Rahmen der Gruppenberatung, Kosten für Räumlichkeiten der Gruppenberatung, Kosten für Büro Job-Börse und Kosten für die Zurverfügungstellung von PC-Schulungsraum sowie PC-Nutzung/LAN-Anschluss. Die Kosten hierfür bezifferte sie mit € 261.317,00. Hinzukämen eventuell noch Kosten für Einzelförderungs- und Schulungsmaßnahmen. Sie übersandte dem L. eine Liste mit den 68 betroffenen Arbeitnehmern.

Mit einer Vorabentscheidung (Bescheid vom 12. Dezember 2002) teilte das L. B.-W. der Klägerin mit, dass für die vorgesehenen Sozialplanmaßnahmen für bis zu 68 Arbeitnehmer zurzeit kein Zuschuss gewährt werden könne. Die Aufwendungen, die für die Durchführung von Qualifizierung und Vermittlung entstünden, in Höhe von € 205.829,00 (Freistellungskosten der Arbeitnehmer in Höhe von € 55.488,00 könnten nicht einbezogen werden) erreichten noch nicht den im Sozialplan vereinbarten Betrag der Eigenbeteiligung zu den Vermittlungs- und Qualifizierungskosten in Höhe von € 350.000,00. Eine Zuschussgewährung sei möglich, wenn die gesamten Aufwendungen € 350.000,00 überstiegen. Den Widerspruch der Klägerin wies das L. B.-W. zurück (Widerspruchsbescheid vom August 2003). Aus Sinn und Zweck der Regelung über die Zuschussgewährung ergebe sich zunächst, dass der Arbeitgeber eine finanzielle Beteiligung zur Finanzierung der Eingliederungsmaßnahmen zur Verfügung stellen müsse, was von Seiten der Klägerin mit einem Betrag von € 350.000,00 geschehen sei. Die Erbringung eines Zuschusses liege im pflichtgemäßen Ermessen. Bei der Ausübung des Ermessens seien unter Heranziehung des Grundsatzes von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zunächst die Sozialplanmaßnahmen von einer Förderung auszunehmen, bei denen schon die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Finanzmittel die Sozialplanmaßnahmen abdeckten. Nach § 2 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) sei es ausdrücklich Aufgabe der Arbeitgeber, mit seinen Entscheidungen dazu beizutragen, dass die Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitsförderung sowie die Entlassung von Arbeitnehmern vermieden werde, weshalb die Qualifizierung der zur Entlassung anstehenden Arbeitnehmer keine primäre öffentliche Aufgabe darstelle. Bei der Ermessensausübung sei zudem zu beachten, ob der Zweck der Regelung (die Förderung von Sozialplanmaßnahmen) unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen durch die Erbringung der Zuschüsse erreicht werden könne. Dies sei vorliegend nicht der Fall, weil der Interessenausgleich und der Sozialplan vor der Beratung durch da...

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