Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Absetzbarkeit des Grundfreibetrages gem § 12 Abs 2 Nr 1a SGB 2. Übertragbarkeit auf Elternvermögen bei mangelnder Ausschöpfung durch Kind. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei verfassungskonformer Auslegung der Regelung über den Kinderfreibetrag in § 12 Abs 2 Nr 1a SGB 2 ist davon auszugehen, dass dieser Freibetrag mangels Vermögensgegenständen des Kindes auf Vermögensgegenstände der Eltern übertragbar ist.

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 30.11.2007 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom 06.12.2006 bis zum 04.01.2007 im Streit.

Die beiden miteinander verheirateten Kläger zu Ziff. 1 (geboren 1961) und zu Ziff. 2 (geboren 1966) sind erwerbsfähig und leben mit ihrem im Jahr 2000 geborenen Sohn in einer 80 qm großen Mietwohnung. Am 06.12.2006 beantragten sie bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Als einziges Einkommen gaben sie das Kindergeld in Höhe von 154,00 € monatlich an. Der Kläger zu Ziff. 1 leidet an einem Diabetes mellitus, für den ein Mehrbedarf für kostenaufwendige Ernährung geltend gemacht wurde. An Mietkosten fielen ein monatlicher Mietzins von 374,00 €, eine Betriebskostenvorauszahlung von 85,00 €, eine Heizkostenvorauszahlung von 37,00 € und eine Kabelgebühr von 4,60 € monatlich an. Die Bedarfsgemeinschaft besaß ein Girokonto auf den Namen des Klägers zu Ziff. 1 (2.807,00 €), Bargeld (66,40 €), ein Sparbuch (6.855,00 €) sowie einen Aktienfond (5.106,00 €), wobei alle Konten auf den Namen des Klägers zu Ziff. 1 eingetragen sind. Außerdem gaben die Kläger einen Pkw der Marke Kia mit einem Wert von ca. 1.000,00 € an.

Der Kläger belegte die Höhe seiner Konten zum Zeitpunkt der Antragstellung wie folgt: Am 16.11.2006 befanden sich auf dem Sparbuch 8.261,12 €, was sich am 04.01.2007 durch Abhebung von 2.000,00 € - bei gleichzeitiger Gutschrift von Zinsen - auf einen Betrag von 6.855,31 € reduzierte. Der Wert des Sparbuchs wurde dann am selben Tag auf das Girokonto einer Postbank eingezahlt, welches zuvor am 04.12.2006 ein Guthaben von 1.971,83 € aufwies. Am 03.01.2007 war insoweit nur noch ein Betrag von 1.528,20 € und nach Abzug der Miete ein Betrag von 992,60 € vorhanden. Der Fond bei der U. I. Bank enthielt 5.106,00 €.

Die Beklagte lehnte die Bewilligung von Leistungen mit Bescheid vom 16.01.2007 ab, weil die Kläger aufgrund ihres Vermögens nicht hilfebedürftig seien. Eine Berechnung enthält dieser Bescheid nicht.

Der Kläger trug mit seinem Widerspruch vor, dass die Berechnung der Beklagten nicht nachvollziehbar sei. Er verlange einen begründeten und nachvollziehbaren Bescheid.

Mit Bescheid vom 01.03.2007 bewilligte die Beklagte nach einer Berechnung des Leistungsanspruchs dann Leistungen vom 04.01.2007 bis 31.01.2007 in Höhe von 1117,77 €, für Februar 2007 in Höhe von 1282,60 €, für März 2007 in Höhe von 1276,60 € und für die Monate April bis Juni 2007 in Höhe von monatlich 1240,60 €. Erst ab dem 04.01.2007 sei aufgrund von Abbuchungen der Vermögensfreibetrag unterschritten worden. Der Freibetrag belaufe sich auf 15.000 € für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt und ergebe sich aus einem Freibetrag für den Kläger zu Ziff. 1 in Höhe von 6.750,00 €, für die Klägerin zu Ziff. 2 in Höhe von 6.000,00 € und einem Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,00 € pro Person.

Der Kläger wandte sich gegen diese Art der Berechnung und machte geltend, dass sein Sohn, der Kläger zu Ziff. 3 ebenfalls bei den Freibeträgen zu berücksichtigen sei. Die Familie wirtschafte “aus einem Topf„, ohne dass das Vermögen einer bestimmten Person zugeordnet sei. Zur Vermeidung einer nach Art. 6 GG unzulässigen Benachteiligung von Familien sei daher für seinen Sohn ein Freibetrag zu berücksichtigen (unter Hinweis auf BSG vom 09.12.2004 - B 7 AL 44/04 R - und vom 14.09.2005 - B 11/11a AL 71/04 R - sowie SG Aurich vom 15.02.2006 - S 15 AS 107/05). Die entgegenstehende Verwaltungsvorschrift der Beklagten Nr. 12.10 Abs. 2 zu § 12 SGB II sei verfassungswidrig. Außerdem seien die anerkannten Unterkunftskosten zu niedrig.

Mit Änderungsbescheid vom 16.05.2007 erhöhte die Beklagte die Leistungen aufgrund der Berücksichtigung höherer Heiz- und Nebenkosten. Vom 04.01.2007 bis 31.01.2007 wurden 1144,95 €, für Februar 2007 1311,73 €, für März 2007 1305,73 € und für die Monate April bis Juni 2007 monatlich 1269,73 € bewilligt. Die Kosten der Unterkunft wurden damit im vollen von den Klägern begehrten Umfang übernommen. Leistungen für die Zeit vor dem 04.01.2007 wurden weiterhin nicht gewährt, weil die Beklagte an ihrer Auffassung festhielt, dass für den Kläger zu Ziff. 3 ma...

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