Entscheidungsstichwort (Thema)

Minderung des Arbeitslosengeldes. verspätete Meldung. frühzeitige Arbeitssuche. unverschuldete Unkenntnis. Anforderungen an die Hinweispflicht des Arbeitgebers

 

Orientierungssatz

1. Der Arbeitnehmer verletzt seine Obliegenheit zur unverzüglichen Meldung gem §§ 37b, 140 SGB 3 nicht, wenn er sich aufgrund unverschuldeter Rechtsunkenntnis nicht innerhalb der gebotenen Handlungsfrist bei der Agentur für Arbeit meldet. Dass der Gesetzgeber die Kenntnis von der Pflicht zur frühzeitigen Meldung nicht ohne Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalles voraussetzt, lässt sich schon daraus herleiten, dass im Zusammenhang mit der Einführung der Obliegenheit des Arbeitnehmers zur frühzeitigen Meldung die Vorschrift über das Zusammenwirken von Arbeitgebern und der Bundesagentur für Arbeit erweitert wurde. Nach § 2 Abs 2 S 2 Nr 3 SGB 3 sollen die Arbeitgeber die Arbeitnehmer vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses frühzeitig über die Notwendigkeit eigener Aktivitäten bei der Suche nach einer anderen Beschäftigung sowie über die Verpflichtung unverzüglicher Meldung beim Arbeitsamt informieren. Damit tritt die Informationspflicht des Arbeitgebers nach § 2 Abs 2 S 2 Nr 3 SGB 3 faktisch an die Stelle derjenigen Belehrungspflichten, die der Gesetzgeber der Bundesagentur für Arbeit (BA) auferlegt, bevor aus Obliegenheitsverletzungen des Arbeitslosen nachteilige Rechtsfolgen für seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld eintreten können. Eine wirksame Rechtsfolgenbelehrung setzt voraus, dass sie konkret, richtig und vollständig ist und dem Arbeitslosen in verständlicher Form zutreffend erläutert, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen aus dem versicherungswidrigen Verhalten resultieren (vgl BSG vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R = BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1).

2. Erfolgt die Arbeitssuchendmeldung verspätet, obwohl der Arbeitnehmer mit Kündigungsschreiben durch seinen Arbeitgeber darüber informiert wurde, dass er verpflichtet ist, sich ab Erhalt der Kündigung beim zuständigen Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, da ihm andernfalls finanzielle Einbussen drohen, so liegt eine Verletzung der Obliegenheitspflicht nach § 37b SGB 3 vor. Nicht erforderlich ist eine darüber hinausgehende Information oder Aufklärung dahin gehend, dass es sich um eine gesetzliche Obliegenheit handelt, in welcher Höhe finanzielle Einbussen dem Arbeitnehmer angesichts seiner Einkommensverhältnisse drohen und dass die Obliegenheit durch gerichtliche Geltendmachung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses nicht entfällt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte zu Recht das Arbeitslosengeld wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung gemindert hat und ob eine Säumniszeit eingetreten ist.

Der ....1969 geborene Kläger arbeitete ab 01.11.1994 als Zahntechniker bei der Firma N in L. Mit Schreiben vom 26.11.2003 wurde das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber zum 29.02.2004 gekündigt. Im Kündigungsschreiben führte der Arbeitgeber aus: "Ich weise Sie darauf hin, dass Sie sich ab Erhalt der Kündigung unverzüglich beim zuständigen Arbeitsamt arbeitslos melden müssen. Andernfalls können Ihnen finanzielle Einbußen drohen.".

Die gegen die Kündigung gerichtete Klage des Klägers wurde durch das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein (Az: 8 CA 3991/03) mit Urteil vom 08.03.2004 abgewiesen. Vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Az.: 2 Sa 313/04) schlossen die Parteien am 13.07.2004 einen Vergleich dahingehend, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Arbeitgeberkündigung vom 26.11.2003 zum 29.02.2004 aus betriebsbedingten Gründen (Wegfall des Arbeitsplatzes eines Laborleiters) beendet worden ist. Der Kläger erhielt eine Abfindung gem. §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz in Höhe von 12.000,- €.

Der Kläger meldete sich am 06.02.2004 bei der Agentur für Arbeit in M arbeitslos. Er legte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Neurologen/Psychiaters Dr. S, M, für die Zeit vom 02.02. bis 01.03.2004 vor. Mit Schreiben vom 01.04.2004 wurde dem Kläger ergänzend zu dem ihm gesondert zugehenden Bewilligungsbescheid vom 06.04.2004 mitgeteilt, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 24.05.2004 bis 23.07.2004 gekürzt werde. Der Kläger hätte sich gem. § 37 b Sozialgesetzbuch (SGB) III unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend melden müssen, sobald er vom Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses Kenntnis gehabt habe. Dieser Pflicht sei er nicht rechtzeitig nachgekommen. Er hätte sich spätestens am 30.11.2003 beim Arbeitsamt arbeitsuchend melden müssen. Tatsächlich habe er sich erst am 06.02.2004 gemeldet. Die Meldung sei somit 69 Tage zu spät erfolgt. Gem. § 140 SGB III mindere sich der Anspruch auf Leistungen um 50 € für jeden Tag der verspäteten Meldung, längstens jedoch für 30 Tage. Es errechne sich somit ein Minderungsbetrag in Höhe von insgesamt 1.500,- €.

Dem Kläger wurde am 06.02.2004 eine Einladung zu einer Gruppeninformation nach § 57 SGB III/Selbständigkeit für den 17.03.2004 von ...

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