Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Nichterfüllung der Anwartschaftszeit. Rahmenfrist. Arbeitslosmeldung. Arbeitslosigkeit. Korrektur. Vergleich. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Orientierungssatz

1. Liegen die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld vor (Arbeitslosmeldung und Arbeitslosigkeit), so ist eine Korrektur der Rahmenfrist, wenn das Arbeitsverhältnis durch Urteil oder Vergleich nachträglich verlängert wird, nicht möglich.

2. Der Beginn der Rahmenfrist des § 124 Abs 1 SGB 3 knüpft an die materiellen Voraussetzungen für die Entstehung des Stammrechts, nicht jedoch an den Zeitpunkt der Antragstellung an. Während die Antragstellung durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zeitlich verschoben werden kann, ist dies bei den in § 124 Abs 1 SGB 3 maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen der Arbeitslosigkeit und der Arbeitslosmeldung nicht der Fall.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 03.06.2004; Aktenzeichen B 11 AL 70/03 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 1.11.2001 streitig.

Die ... 1961 geborene Klägerin reiste am 14.6.1996 in die Bundesrepublik Deutschland als Spätaussiedlerin ein. Die Beklagte bewilligte ihr vom 15.7. bis 27.11.1996 (Erschöpfung des Anspruchs) Eingliederungshilfe.

Am 25.10.2001 meldete sich die Klägerin beim Arbeitsamt Lörrach (AA) arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Hierbei gab sie an, vom 31.10.2000 bis zum 11.10.2001 bei der Firma M beschäftigt gewesen zu sein. Weitere Beschäftigungsverhältnisse hätten nicht bestanden Die Arbeitgeberin bestätigte in der Arbeitsbescheinigung vom 20.11.2001 eine Beschäftigung vom 1.11.2000 bis 11.10.2001. Das Arbeitsverhältnis sei am 11.10.2001 von der Arbeitgeberin wegen vertragswidrigen Verhaltens (Verdacht einer Straftat) fristlos beendet worden. Vor dem Arbeitsgericht Lörrach sei deswegen ein Verfahren anhängig. Aufgrund telefonischer Auskunft durch die Arbeitgeberin vom 11.12.2001 sei Diebstahl der Grund für die Kündigung gewesen. Hierzu äußerte sich die Klägerin dahingehend, sie habe kein Geld aus der Kasse genommen.

Mit Bescheid vom 20.12.2001 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alg ab, weil die Klägerin die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Sie habe vor dem 25.10.2001 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) bestehe ebenfalls nicht, weil sie innerhalb der Vorfrist von einem Jahr vor dem 25.10.2001 kein Alg bezogen habe.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch: Das Arbeitsverhältnis habe am 31.10.2001 durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung geendet. Die Voraussetzungen für den Bezug von Alg seien daher erfüllt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.1.2002 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück: Die Klägerin habe in der vom 25.10.1998 bis 24.10.2001 laufenden Rahmenfrist nicht zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Auch wenn das Arbeitsverhältnis bis einschließlich 31.10.2001 angedauert habe wäre, die Anwartschaftszeit vorliegend nicht erfüllt gewesen. Durch die Verlängerung eines Arbeitsverhältnisses infolge eines Urteils oder Vergleichs werde der Lauf der Rahmenfrist nicht verändert, die Beschäftigungslosigkeit sei bereits mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses eingetreten gewesen. Ein Anspruch auf Alhi habe ebenfalls nicht bestanden.

Die Klägerin hat am 28.1.2002 hiergegen Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben: Aus dem Protokoll des Arbeitsgerichts Lörrach (5 Ca 500/01) gehe hervor, dass am 09.01.2002 ein Vergleich dahingehend geschlossen worden sei, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund arbeitgeberseitiger betriebsbedingter Kündigung unter Wahrung der geltenden tariflichen Kündigungsfrist nach dem Bundesmanteltarifvertrag für die Systemgastronomie mit Ablauf des 31.10.2001 geendet habe. Damit habe die Klägerin auch die Anwartschaftszeit für den Bezug von Alg erfüllt.

Die Beklagte hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten, wonach eine Verlängerung der Rahmenfrist in Folge des arbeitsgerichtlichen Vergleichs nicht möglich sei.

Das SG hat am 26.11.2002 mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert. Diesbezüglich wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 12.12.2002 hat das SG den Bescheid vom 20.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids am 16.1.2002 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Alg ab 1.11.2001 zu gewähren. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es ausgeführt, der Auffassung der Beklagten könne nicht gefolgt werden. Der Antrag der Klägerin vom 25.10.2001 müsse dahingehend ausgelegt werden, Alg ab dem Zeitpunkt zu erhalten, in dem die rechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt seien. Dies sei ab dem 1.11.2001 der Fall.

Gegen den am 18.12.2002 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am Montag, den 20.1.2003 eingelegte Berufung der Beklagten: Die Anwartschaftsze...

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