Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Auslegung der Kostenerstattungsregelung nach § 13 Abs 3 SGB 5. Unaufschiebbarkeit der Leistung beurteilt sich ausschließlich nach medizinischen Kriterien

 

Orientierungssatz

1. Die Regelung des § 13 Abs 3 SGB 5 will dem Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Sachleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Sachleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke festgestellt wird. Diese Feststellung zu treffen, ist nicht Sache des Versicherten, sondern der Krankenkasse (vgl BSG vom 20.5.2003 - B 1 KR 9/03 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 1).

2. Die Unaufschiebbarkeit einer Leistung, dh das Vorliegen dringender Behandlungsbedürftigkeit, beurteilt sich ausschließlich nach medizinischen Kriterien, denn auch eine Notfallbehandlung kann grundsätzlich als Sachleistung erbracht werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.12.2006; Aktenzeichen B 1 KR 8/06 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung nicht verschreibungspflichtiger homöopathischer bzw. anthroposophischer Arzneimittel in Höhe von 349,44 € streitig.

Die ...1954 geborene Klägerin ist als ganztags beschäftigte Verwaltungsangestellte bei der Beklagten pflichtversichert. Sie leidet an einer Psoriasis vulgaris (Schuppenflechte) und Psoriasis-Arthritis (rheumatisch-entzündlicher Gelenkbefall), die sie mit subcutanen Injektionen (Symphtytum D30, Mercurius viv.nat D15 und Urtica dioica D6), Tropfen (Bryophyllum Urtinktur) sowie Einreiben (Urtica/Salzmischung, Arnika-Wachssalbe, Symphytum-Essenz und Formica D1 Dil.) behandelt.

Im September 2004 beantragte sie bei der Beklagten die Erstattung der ihr in der Zeit von März bis August 2004 in Höhe von 349,44 € entstandenen Medikamentenkosten, wobei ein Teilbetrag von 12,95 € bereits vom März 2003 datierte. Ihrem Antrag fügte sie drei privatärztliche Verordnungen der Fachärztinnen für Allgemeinmedizin S bzw. Dr. K bei.

Mit Bescheid vom 23.09.2004 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit der Begründung ab, die apothekenpflichtigen, aber nicht verschreibungspflichtigen homöopathischen Mittel seien seit dem 01.01.2004 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nicht mehr verordnungsfähig. Die Verordnungen der sie behandelnden Ärztinnen seien deswegen korrekterweise auf Privatrezepten erfolgt. Die verordneten Arzneimittel erfüllten auch nicht die Voraussetzungen der Ausnahmeregelungen nach den Arzneimittel-Richtlinien. Die Kosten der auf Privatrezept verordneten Medikamente könnten deshalb nicht erstattet werden.

Mit Schreiben vom 06.10.2004 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass salizylsäurehaltige Zubereitungen in der Dermatotherapie nach Punkt 16.4.34 der Arzneimittelrichtlinien Teil der Behandlung der Psoriasis und hyperkeratotischer Ekzeme seien, so dass der verordnende Arzt auch Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie verordnen könne, sofern die Anwendung für diese Indikationsgebiete nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt sei. Dann sei gegebenenfalls auch eine Verordnung der Mittel auf Kassenrezept möglich. Dies müsse allerdings der verordnende Arzt prüfen.

Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihre als schwerwiegend zu betrachtende Krankheit könne durch salizylsäurehaltige Zubereitungen nicht ausreichend behandelt werden und habe deswegen zur erheblichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geführt. Eine Linderung habe sie erst durch die homöopathischen Medikamente erzielen können. Deswegen müssten ihr die Kosten erstattet werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2005 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel seien von der Verordnung zu Lasten der Krankenkasse ausgeschlossen, wobei kostenmäßig keine Begrenzung festgelegt sei. Dies gelte nicht für solche Arzneimittel, die bei schwerwiegenden Krankheitsbildern als Mittel der Standardtherapie ausnahmsweise weiterhin verordnet werden könnten. Welche Arzneimittel dies im Einzelnen seien, habe der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien festgelegt. Diese Richtlinien sähen insgesamt über 40 verschiedene Ausnahmefälle vor, darunter seien auch pflanzliche Arzneimittel. Damit könnten auch Arzneimittel der Anthroposophie unter der Voraussetzung auf Kassenrezept verordnet werden, dass eine der in den Richtlinien aufgeführte schwerwiegende Erkrankung vorliege und die vom Arzt verordneten Mittel nach dem Erkenntnisstand der jeweiligen Therapierichtung als Therapiestandard eingesetzt würden. Damit bliebe die Therapievielfalt, über die der Arzt entscheide, erhalten. Nur die auf Kassenrezept verordneten Arzneimittel seien erstattungsfähig. Deswegen habe dem Widerspruch nicht abgeholfen werden können.

Mit ihrer dagegen beim Sozialgericht Ulm (SG) erhobenen Klage ha...

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