Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Einkommensermittlung. nichtselbstständige Tätigkeit. Beamtin. verfassungswidrige Absenkung der Beamtenbesoldung durch ein Bundesland. rechtswidrig vorenthaltene Bezüge. BVerfG-Entscheidung. Nachzahlung weit außerhalb des Bemessungszeitraums. Steuerrechtsakzessorietät. sonstige Bezüge. Verfassungsmäßigkeit. Gleichheitssatz. Verweis auf Schadensersatz gegen Arbeitgeber bzw Dienstherrn

 

Leitsatz (amtlich)

Die Nachzahlung einer vom BVerfG für nichtig erklärten Absenkung der Beamtenbesoldung weit außerhalb des maßgeblichen Bemessungszeitraums, die zudem in der Gehaltsmitteilung als sonstiger Bezug ausgewiesen wird, ist bei der Bemessung des Elterngeldes nicht zu berücksichtigen.

 

Orientierungssatz

1. Auch der Umstand, dass eine verspätete Zahlung des Lohns oder Gehalts und die dadurch wegen § 2c Abs 1 S 2 BEEG iVm § 38a Abs 1 S 3 EStG, R 39b.2 Abs 2 S 2 Nr 8 LStR 2015 bedingte elterngeldrechtliche Nichtberücksichtigung als sonstiger Bezug auf einem möglicherweise sogar schuldhaften Fehlverhalten des Arbeitgebers beruhen kann, rechtfertigt keine differenzierende Betrachtung (vgl BSG vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R = BSGE 125, 62 = SozR 4-7837 § 2c Nr 2 und B 10 EG 4/17 R = SozR 4-7837 § 2c Nr 1).

2. Bei schuldhaftem Fehlverhalten des Arbeitgebers verbleibt dem betroffenen elterngeldberechtigten Arbeitnehmer lediglich die Möglichkeit, seinen Arbeitgeber auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen (vgl BSG vom 27.6.2019 - B 10 EG 2/18 R = BSGE 128, 243 = SozR 4-7837 § 2c Nr 5).

3. Über die elterngeldrechtlichen Normen (zu dem aus Bundesmitteln finanzierten Elterngeld) kann kein Schadensersatz gegen ein Land (hier wegen verfassungswidriger Absenkung der Beamtenbesoldung) gewährt werden.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 19.05.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung höheren Basiselterngeldes unter Berücksichtigung einer Nachzahlung zunächst abgesenkter Beamtenbesoldung als Einkommen im Bemessungszeitraum streitig.

Die 1982 geborene Klägerin ist verheiratet. Sie ist als R Beamtin des Landes Baden-Württemberg. Sie bezog für ihre Teilzeittätigkeit eine abgesenkte Eingangsbesoldung nach Besoldungsgruppe A 13 und Grundgehaltsstufe 5 ab November 2016 iHv monatlich 2.992,28 € (brutto), ab April 2017 von 3.120,44 € (brutto) und ab Juni 2017 von 3.177,00 € (brutto). Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 16.10.2018 (2 BvL 2/17, BVerfGE 149, 382) § 23 Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg (LBG BW) mit Art 33 Abs 5 Grundgesetz (GG) iVm Art 3 Abs 1 GG unvereinbar und nichtig erklärt hatte, zahlte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg der Klägerin im April 2019 die Absenkungsbeträge nach. In der Mitteilung über die Zusammensetzung der Bezüge 2/19 im April 2019 wies das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg die Nachzahlung als einmalige Bezüge iHv insgesamt 4.116,86 € aus (aufgeschlüsselt pro Jahr: 2016 934,99 €, 2017 3.167,82 €, 2018 14,05 €).

Am 04.11.2017 wurde der Sohn der Klägerin N (N) geboren. Die Klägerin wohnt gemeinsam mit ihrem Ehemann (und Kindsvater) sowie N in einem Haushalt.

Am 10.11.2017 beantragte die Klägerin anlässlich der Geburt von N die Bewilligung von Basiselterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg bescheinigte der Klägerin unter dem 04.12.2017 in der Zeit von November 2016 bis Oktober 2017 ihr laufendes steuerpflichtiges Bruttoeinkommen. Weiterhin teilte es mit, dass der letzte Arbeitstag vor der Geburt des Kindes der 27.09.2017 gewesen sei und die Klägerin nach beamtenrechtlichen Vorschriften Dienstbezüge, Anwärterbezüge oder Zuschüsse für die Zeit des Beschäftigungsverbotes vom 04.11.2017 bis 04.01.2018 im November iHv 2.944,57 €, im Dezember 2017 iHv 3.271,74 € und im Januar 2018 iHv 422,16 € erhalten habe.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 14.12.2017 für den 3. Lebensmonat (04.01.2018 bis 03.12.2018) Elterngeld iHv 1.269,89 € und für den 4. bis 12. Lebensmonat (04.02.2018 bis 03.11.2018) iHv monatlich 1.312,22 €. Die Gewährung von Elterngeld für die ersten zwei Lebensmonate (04.11.2017 bis 03.01.2018) lehnte die Beklagte wegen der Anrechnung von Dienst-/Anwärterbezügen oder Zuschüssen nach beamtenrechtlichen Vorschriften ab. Die Beklagte legte ihrer Berechnung das durchschnittliche monatliche Erwerbseinkommen im Bemessungszeitraum 01.11.2016 bis 31.10.2017 iHv 37.087,28 € brutto abzüglich eines Arbeitnehmer-Pauschbetrages iHv 999,96 € zugrunde (= 36.087,32 €/12 Monate = 3.007,28 € - Abzüge für Steuern 988,48 € = 2.018,80 €). Da das Einkommen im Bemessungszeitraum über monatlich 1.200,00 € liege, setzte die Beklagte den Anspruchsfaktor auf 65% herab.

Im März 2019 legte der Ehemann der Klägerin deren Bezüge-Mitteilungen vor und führte aus, dass die Klägerin als Beamtin...

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