Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Erwerbseinkommen und Kindergeld. Absetzung des Grundfreibetrages in Höhe von 100 Euro vom Erwerbseinkommen. Sperrwirkung. Absetzung des Restfreibetrages als Versicherungspauschale vom Kindergeld

 

Leitsatz (amtlich)

Der Grundfreibetrag nach § 11 Abs 2 S 2 SGB 2 (in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung ) entfaltet nur bei Einkommen aus Erwerbstätigkeit eine absolute Sperrwirkung hinsichtlich der Absetzbeträge nach § 11 Abs 2 S 1 Nr 3 bis 5 SGB 2 aF. Wird zusätzlich noch anderes Einkommen (hier: Kindergeld) erzielt, entfaltet die Grundfreibetragsregelung nur eine relative Sperrwirkung dahingehend, als Aufwendungen nach § 11 Abs 2 S 1 Nr 3 bis 5 SGB 2 aF vom anderen Einkommen nur dann noch zusätzlich abgesetzt werden können, soweit sie konkret entstanden und nicht bereits in die 100-Euro-Pauschale eingeflossen sind.

 

Normenkette

SGB II Fassung: 2006-12-05 § 11 Abs. 2 S. 2; SGB II Fassung: 2006-12-05 § 11 Abs. 2 S. 3; SGB II Fassung: 2006-12-05 § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 3; SGB II Fassung: 2006-12-05 § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 4; SGB II Fassung: 2006-12-05 § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 6; SGB II Fassung: 2006-12-05 § 11 Abs. 1 S. 3; SGB II Fassung: 2011-05-13 § 11b Abs. 2 S. 2; SGB II Fassung: 2005-08-14 § 30 S. 1; SGB II Fassung: 2005-08-14 § 30 S. 2; SGB II Fassung: 2006-07-20 § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; SGB II § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, §§ 9, 11 Abs. 2 S. 1, § 40 Abs. 1 S. 1; SGB X § 24 Abs. 1, § 33 Abs. 1, § 41 Abs. 1 Nr. 3, § 48 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 3, § 50 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Sätze 1-2; SGB III § 330 Abs. 1-2, 3 Sätze 1, 4; Alg II-V § 6 Abs. 1 Nr. 1; SGG § 54 Abs. 1 S. 1, §§ 86, 95, 160 Abs. 2 Nr. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.06.2014; Aktenzeichen B 4 AS 49/13 R)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23.04.2012 wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung und Erstattung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 01.10. bis 30.11.2008 in Höhe von 60,00 € streitig.

Die 1989 in Deutschland geborene Klägerin lebt mit ihrer 1947 im Iran geborenen Mutter zusammen in einer Wohnung in F.. Sie bezogen bis 31.12.2004 Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Seit dem 01.01.2005 erhalten sie SGB-II-Leistungen vom Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgängerin (im Folgendem einheitlich als Beklagter bezeichnet). Mit Bescheid vom 12.08.2008 bewilligte der Beklagte Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.09.2008 bis 28.02.2009 in Höhe von insgesamt 1.403,19 € (davon 666,61 € für die Klägerin; der Anteil der Kosten für die Unterkunft und Heizung belief sich auf 385,61 €). Bei der Klägerin wurde Kindergeld (154,00 €) - bereinigt um 30,00 € (Versicherungspauschale) - in Höhe von 124,00 € als Einkommen berücksichtigt.

Ab dem 09.09.2008 begann die Klägerin eine Tätigkeit als Übungsleiterin bei der Tanzsportgemeinschaft F. e.V. (im Folgenden TSG F.). Den am 30.09.2008 durch sie unterzeichneten Übungsleitervertrag reichte sie am 21.10.2008 beim Beklagten ein (Bl. 250 der Verw.-Akte). Danach verpflichtete sich die Klägerin (Ziff. 1 des Vertrags) ab dem 09.09.2008 eine “freiberufliche Tätigkeit als nebenberufliche, selbstständige Übungsleiterin„ auszuüben und eine Kindertanzgruppe zu unterrichten. Das Übungsleiterhonorar betrage 20,00 € pro Stunde, wobei sich das voraussichtliche Einkommen pro Monat auf ca. 80,00 € belaufe (Ziff. 2 des Vertrags). Die Vereinbarung wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen (Ziff. 6 des Vertrags).

Mit Bescheid vom 20.11.2008 hob der Beklagte die Entscheidung vom 12.08.2008 für den Zeitraum vom 01.10. bis 30.11.2008 teilweise in Höhe von 60,00 € auf. Die Klägerin habe während des genannten Zeitraums Einkommen aus ihrer Tätigkeit bei der TSG F. erzielt. Dadurch sei sie nicht in bisher festgestellter und bewilligter Höhe hilfebedürftig. Die Erzielung von Einkommen habe zur Minderung ihres Anspruchs geführt. Rechtsgrundlage der Entscheidung sei § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Der Betrag in Höhe von 60,00 € sei daher gemäß § 50 SGB X zu erstatten.

Hiergegen legte die Klägerin am 16.12.2008 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, der angefochtene Bescheid entbehre einer nachvollziehbaren Begründung und genüge insofern nicht den Anforderungen des § 35 SGB X. Soweit ersichtlich, seien die Freibeträge gemäß §§ 11, 30 SGB II nicht berücksichtigt. Ihr monatliches Einkommen betrage 80,00 €. Dazu komme noch das Kindergeld in Höhe von 154,00 €. Da der Freibetrag für Versicherungen bereits beim Kindergeld berücksichtigt worden sei, verbleibe ein pauschaler Freibetrag von 70,00 € aus dem hinzugekommenen Erwerbseinkommen. Vom übersteigenden Betrag (10,00 €) sei ein Anteil von 80 % einzusetzen und ein Anteil von 20 % freizulassen. Es ergebe sich bei einem Eink...

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