Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld. Höchstbezugsdauer. hinzugetretene Krankheit

 

Orientierungssatz

Eine erstmals zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung ist nicht als hinzugetretene Krankheit iS des § 48 Abs 1 S 2 SGB 5 anzusehen, wenn zeitgleich mit dieser Arbeitsunfähigkeit erneut wegen einer anderen Erkrankung Arbeitsunfähigkeit eintritt, für die innerhalb des laufenden Dreijahreszeitraums bereits Krankengeld gewährt wurde.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 08.11.2005; Aktenzeichen B 1 KR 27/04 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Gewährung von Krankengeld (Krg) wegen Erschöpfung der Anspruchshöchstdauer zu Recht zum 23. Mai 2001 eingestellt hat.

Die ... 1957 geborene Klägerin war vom 01. Januar 1989 bis 31. Oktober 2002 bei der Beklagten krankenversichert. Ab 01. Juli 1997 war sie als Inhaberin und kaufmännische Leiterin der Firma I Handels- und Vertriebsagentur freiwilliges Mitglied der Beklagten. Gegenstand der Firma, in der sieben Mitarbeiter beschäftigt waren, war der Groß- und Einzelhandel sowie die Produktion von Schuhen und Schuhwaren, wobei die Produktion im Rahmen von Kooperationsverträgen mit osteuropäischen Firmen in Osteuropa erfolgte mit anschließender Lohnveredelung im Osten Deutschlands. Entsprechend war die Tätigkeit der Klägerin mit Reisen verbunden. Die Klägerin war in einer Versicherungsklasse mit Anspruch auf Krg ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit (AU) versichert. Ihre selbstständige Tätigkeit gab die Klägerin mit Beginn ihrer AU ab 03. April 2000 auf. Der Betrieb befindet sich derzeit noch in Liquidation.

Wegen psychischer Dekompensation bei chronischem Alkoholismus war die Klägerin in einer ersten Blockfrist vom 21. Februar 1997 bis 20. Februar 2000 arbeitsunfähig (au) und bezog deshalb bis zur Erschöpfung der Anspruchshöchstdauer am 06. Juni 1999 Krg.

Am 26. Juli 1999 bescheinigten die Internisten/Pneumologen Dres. R und M mit der Diagnose persistierende Bronchitis AU ab 27. Juli 1999. Mit Folgebescheinigungen vom 29. Juli sowie 05., 13. und 30. August 1999 bestätigte der Arzt für Orthopädie/Sportmedizin Dr. W wegen lumbalem Wurzelreiz rechts, NPP L5/S1 rechts lateral das Fortbestehen von AU bis zunächst 05., 13. und 27. August sowie 10. September 1999. Mit Folgebescheinigung vom 13. September 1999 bescheinigte Dr. F wegen Virusinfekt mit Arthralgie und Cephalgie und mit Folgebescheinigung vom 20. September 1999 Dr. W wegen Schulterarmsyndrom rechts das Fortbestehen von AU. Mit weiterer Folgebescheinigung vom 04. Oktober 1999 bestätigte Dr. F wegen obstruktiver Bronchitis und mit Folgebescheinigungen vom 11. Oktober, 02. und 15. November 1999 wegen chronischer obstruktiver Emphysembronchitis und Schlaf-Apnoe-Syndrom das Fortbestehen von AU, wobei Arbeitsfähigkeit nach dessen Ausführungen vom 02. Februar 2000 wieder am 15. Januar 2000 eingetreten sei. Nach anfänglicher Ablehnung anerkannte die Beklagte später den Anspruch der Klägerin auf Krg für die Zeit der AU ab 27. Juli 1999 vom 17. August 1999 bis 14. Januar 2000.

Mit Erstbescheinigung vom 03. April 2000 bescheinigte Dr. F unter Angabe der Diagnose "J 44.9" (chronische Bronchitis) erneut AU ab 03. April 2000, und zwar bis voraussichtlich 16. April 2000. Mit Folgebescheinigungen der Medizinischen Poliklinik bzw. Hautklinik des Universitätsklinikums H wurde in der Folgezeit dann am 19. April 2000 das Fortbestehen der AU wegen Vaskulitis, am 09. Mai 2000 wegen Vaskulitis und Abszess sowie am 22. Mai, 06. und 21. Juni, 17. Juli, 11. August, 13. September und 08. November 2000 wegen Panarteriitis nodosa bescheinigt. Zur Frage eines Anspruchs auf Krg für die bescheinigte AU ab 03. April 2000 schaltete die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein, wobei sich Dr. S unter Berücksichtigung von beigezogenen Befundunterlagen des Universitätsklinikums H am 07. Juli 2000 vorläufig dahingehend äußerte, es gebe Anhaltspunkte dafür, dass die AU begründenden Diagnosen in Zusammenhang mit Vorerkrankungszeiten stünden. Nach Hinzuziehung der Stellungnahme des Dr. F vom 17. Juli 2000 führte Dr. S unter dem 26. Juli 2000 aus, es sei davon auszugehen, dass "bezüglich der Diagnose "chronisch-obstruktive Lungenerkrankung" eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit sozialmedizinischerseits nachvollziehbar ab dem Zeitpunkt 10/99 bestand". Mit Bescheid vom 01. August 2000 lehnte es die Beklagte ab, Krg für die ab 03. April 2000 eingetretene AU zu zahlen und führte zur Begründung aus, bereits die Erkrankung, die ab 27. Juli 1999 bis 14. Januar 2000 zu AU geführt habe, sei zu der Erkrankung hinzugetreten, wegen der sie bis zur Erschöpfung der Anspruchshöchstdauer am 06. Juni 1999 Krg gewährt habe. Da auch bezüglich der Diagnose "chronisch-obstruktive Lungenerkrankung" seit Oktober 1999 durchgehend AU bestanden habe, könne für die ab 03. April 2000 bescheinigte AU kein Krg gezahlt werden. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch, dem die Beklagte nach Einholung der weiteren Stell...

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