Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Quasi-Berufskrankheit. Versicherungsfall vor Stichtagsregelung. Einleitung des Verwaltungsverfahrens vor In-Kraft-Treten der Rückwirkungsklausel. chronisch obstruktive Bronchitis. Bergmann

 

Orientierungssatz

Zur Anerkennung einer chronisch obstruktiven Bronchitis - bei Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale iS von BKV Anl Nr 4111 - als Quasi-Berufskrankheit gem § 551 Abs 2 iVm § 551 Abs 1 S 3 RVO, wenn der Versicherungsfall zwar vor dem Stichtag des § 6 BKV eingetreten, aber das Feststellungsverfahren bereits vor dessen In-Kraft-Treten zum 1.12.1997 eingeleitet worden war.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.12.2008; Aktenzeichen B 2 KN 1/08 U R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31. Oktober 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12. März 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juli 1997 verpflichtet wird, den Bescheid vom 5. Juli 1996 auf den Antrag des Versicherten auf Zugunsten-Entscheidung nach § 44 SGB X vom 20. November 1996 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, das Lungenemphysem und die chronische obstruktive Bronchitis des Versicherten gemäß § 551 Abs. 2 RVO wie eine Berufskrankheit anzuerkennen und der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten Rente nach einer MdE um 40 v. H. für die Zeit vom 1. September 1995 bis zum 31. Dezember 2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer chronisch obstruktiven Bronchitis und eines Lungenemphysems wie eine Berufskrankheit nach § 551 Abs. 2 RVO und die Gewährung von Berufskrankheitenrente bis zum Tode des Versicherten D M, des am 26. November 2000 verstorbenen Ehemannes der Klägerin.

Nachdem im Rahmen eines vorausgegangenen Verfahrens wegen der Entschädigung einer Silikose Professor Dr. M, der damalige Ärztliche Direktor der R-K-Klinik der Universität F in seinem Gutachten vom 13. Oktober 1995 zu dem Ergebnis gekommen war, dass nur leichte silikotische Lungenveränderungen vorlägen, jedoch als Ursache der chronischobstruktiven Bronchitis und des Lungenemphysems die Kohlestaubbelastung während der Tätigkeit des Versicherten im Steinkohlebergbau unter Tage von 1947 bis 1954 anzusehen sei, wurde am 7. Dezember 1995 ein Feststellungsverfahren eingeleitet. Es wurde das Vorliegen einer Berufskrankheit nach § 551 Abs. 2 RVO geprüft, nachdem der ärztliche Sachverständigenbeirat beim Bundesarbeitsministerium in seiner Sitzung vom 4. April 1995 beschlossen hatte, dem Verordnungsgeber zu empfehlen, die Berufskrankheitenverordnung wie folgt zu ergänzen: "COB oder Emphysem von Bergleuten unter Tage im Steinkohlebergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Feinstaubdosis von in der Regel ((100 mg/m 3) x Jahre)". Im Rahmen des Feststellungsverfahrens gab der Versicherte an, seit 1970 Atemwegsbeschwerden zu haben. Die Beklagte zog einen Untersuchungsbericht der Fachklinik D vom 22. März 1984 bei, in dem lungenfunktionsanalytisch eine deutliche Emphysembildung mit mittelgradiger Gasaustauschstörung beschrieben war. In der Anamnese war angegeben, der Untersuchte klage über seit etwa 6 Jahren bestehende Atembeschwerden vorwiegend in Form einer belastungsabhängigen Atemnot. Aus einem ebenfalls beigezogenen ärztlichen Entlassungsbericht der Klinik Bad Reichenhall von 1989 war die Diagnose einer leichten obstruktiven Ventilationsstörung zu entnehmen. Die Entlassung erfolgte arbeitsunfähig, eine weitere Erwerbstätigkeit wurde auf Grund der ausgeprägten respiratorischen Insuffizienz, die sich bereits bei geringfügigen Belastungen zeige, für nicht mehr angezeigt angesehen. Ein Gutachten von Professor Dr. L vom 24. März 1992 für die Berufsgenossenschaft Druck- und Papierverarbeitung enthält die Diagnose einer Lungenfibrose unklarer Genese mit respiratorischer Partialinsuffizienz, Lungenüberblähung, Vitalkapazitätsverlust, beginnender Atemwegsobstruktion und beginnender Polyglobulie. Die Beklagte errechnete nach dem Berechnungsmodell von Professor Dr.-Ing. B zur Prüfung "100 Feinstaubjahre" am 8. März 1996 zunächst lediglich 34,2 Staubjahre, wobei niedrige Staubkonzentrationen unterstellt wurden. Der Sachbearbeiter stellte dazu in einer Stellungnahme fest, bei Unterstellung ungünstiger Staubverhältnisse würden 100 Staubjahre erreicht. Daraufhin holte die Beklagte erneut eine Stellungnahme vom 30. April 1996 des TAD ein, der zu einer Verdoppelung, nämlich zu 68,4 Staubjahren kam. Mit Bescheid vom 5. Juli 1996 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen ab, da die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Atemwegserkrankung wie eine Berufskrankheit nicht vorlägen. Dieser Bescheid wurde bindend.

Mit Schreiben vom 18. November 1996 stellte der Versicherte einen Überprüfungsantrag und machte geltend, dass die errechnete Feinstaubbelastung nic...

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