Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen. rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft. Beantragung einer Altersrente für Frauen. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Orientierungssatz

1. Das Bestehen eines Anspruchs auf mehrere Renten nach § 89 Abs 1 SGB 6 setzt nicht nur das Vorliegen der jeweiligen besonderen versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen voraus (Stammrecht), sondern auch das Bestehen von aus dem Stammrecht ableitbaren Einzelansprüchen auf Zahlung, was wiederum voraussetzt, dass nicht nur die materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, sondern auch wirksame Anträge auf die jeweiligen Renten gestellt sein müssen.

2. Zum Vorliegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, wenn bei der Beantragung einer Altersrente für Frauen ein Neufeststellungsverfahren auf die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft mit offenem Ergebnis anhängig war.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.11.2007; Aktenzeichen B 13 R 44/07 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig sind der frühere Beginn und die Höhe einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Die ... 1942 geborene Klägerin beantragte am 4.1.2002 die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf die Angaben der Klägerin im Rentenantragsformular, Blatt 1 der Rentenakte, Bezug genommen). Zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung war bei der Klägerin von der Versorgungsverwaltung ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt (Bescheid vom 26.1.1999). Über den Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 27.12.2001 war zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung noch nicht entschieden (wegen der Einzelheiten vgl. Aktenteil 26 der Rentenakte). Von dem laufenden Verfahren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft machte die Klägerin der Beklagten im Rahmen der Rentenantragstellung keine Mitteilung. Im Fragebogen zur Prüfung der Vertrauensschutzregelung bei vorzeitigen Altersrenten sowie zum Rentenbeginn vom 4.1.2002 verneinte die Klägerin, am 16.11.2000 schwerbehindert gewesen zu sein, und bestätigte unterschriftlich u. a., es sei ihr bekannt, unter welchen Voraussetzungen eine "Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige" in Anspruch genommen werden könne und dass diese Altersrente von der Anhebung der Altersgrenze derzeit nicht betroffen sei (Blatt 2 der Rentenakte).

Mit Bescheid vom 7.3.2002 gewährte die Beklagte der Klägerin Altersrente für Frauen ab dem 1.4.2002 unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors für die Entgeltpunkte von 0,919 (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 21 der Rentenakte Bezug genommen).

Nachdem bei der Klägerin zwischenzeitlich mit Bescheid des Versorgungsamts Rottweil vom 6.12.2002 ein GdB von 50 seit dem 27.12.2001 und mit Bescheid vom 13.2.2003 ein GdB von 50 bereits ab dem 1.4.1998 festgestellt worden war, machte die Klägerin anlässlich einer persönlichen Vorsprache am 17.2.2003 der Beklagten hierüber Mitteilung (Blatt 14 der Rentenakte).

Mit Bescheid vom 26.2.2003 gewährte die Beklagte der Klägerin auf Antrag vom 17.2.2003 Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1.2.2003 unter Berücksichtigung der Vertrauensschutzregelung des § 236a Satz 5 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und eines Zugangsfaktors für die Entgeltpunkte von 0,970 (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf den Rentenbescheid, Aktenteil 19 der Rentenakte, Bezug genommen; zur Vertrauensschutzregelung und zum Zugangsfaktor vgl. Aktenteil 20 und Anlage 6 zum Rentenbescheid).

Dagegen erhob die Klägerin am 24.3.2003 Widerspruch, mit welchem sie unter Hinweis auf die rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bereits zum 1.4.1998 die Gewährung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen schon ab dem 1.4.2002 unter Berücksichtigung der Vertrauensschutzregelung und mit dem Zugangsfaktor 1 begehrte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.6.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 23.7.2003 anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat.

Das SG hat die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.7.2004 durch Urteil vom selben Tag abgewiesen.

Es hat unter Darstellung der hier maßgebenden Rechtsvorschriften (§§ 89, 99 und 115 SGB VI) im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt, dass ein früherer Beginn der Altersrente für schwerbehinderte Menschen daran scheitere, dass die Klägerin die Gewährung einer solchen Rente erst am 17.2.2003 und nicht bereits am 4.1.2002 beantragt habe. Denn die verschiedenen Renten wegen Alters seien jeweils als eigenständige Rentenansprüche ausgestaltet und ein Zusammentreffen verschiedener Ansprüche auf Altersrente trete nur dann ein, wenn die jeweiligen Renten...

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