Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung bei Erwerbsminderung. ambulant betreutes Wohnen. Unterkunftskosten. sog "Nutzungspauschale" als tatsächliche Aufwendung. Angemessenheitsgrenze

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens mietvertraglich geschuldete “Nutzungspauschale„, die als Entgelt für die Nutzung einer vollmöblierten Wohnung sowie als Zuschlag für Schönheitsreparaturen und Instandsetzungen erhoben wird, gehört in vollem Umfang zu den Aufwendungen der Unterkunft gem § 29 Abs 1 S 1 SGB 12.

2. Diese Aufwendungen sind nicht bereits im Regelsatz nach § 28 SGB 12 enthalten.

3. Eine solche unterkunftsbezogene Nutzungspauschale, die nicht zur Disposition des Leistungsberechtigten steht, darf regelmäßig nicht aus den sozialhilferechtlich anzuerkennenden Unterkunftskosten herausgerechnet werden, solange diese in ihrer Gesamtheit nicht die Angemessenheitsgrenze überschreiten.

 

Orientierungssatz

1. Das Nutzungsverhältnis im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens ist einem Mietverhältnis zumindest gleichzustellen (vgl BVerwG vom 14.8.1992 - 8 C 39/91 = BVerwGE 90, 315 = FEVS 43, 208).

2. Maßgeblich für die Beurteilung der Angemessenheit der Mietaufwendungen ist nach der zu § 22 SGB 2 ergangenen Rechtsprechung, die entsprechend im Rahmen von § 29 Abs 1 SGB 12 heranzuziehen ist, die Wohnungsgröße, der Wohnstandard sowie das örtliche Mietniveau (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 2).

3. Auch sind die Kosten der Schönheitsreparaturen nicht im Wege der abweichenden Festlegung des Regelsatzes nach § 28 Abs 1 S 2 SGB 12 oder als einmaliger Bedarf gem § 31 Abs 1 Nr 1 SGB 12 zu berücksichtigen.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. November 2007 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Berufungsverfahren noch streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger höhere Unterkunftsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in Form einer monatlichen “Nutzungspauschale„ von 75,- € für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Dezember 2005 zustehen.

Der am … 1959 geborene Kläger leidet an einer psychischen Erkrankung in Gestalt einer paranoid-halluzinatischen Psychose. Nach vorangegangenem stationärem Aufenthalt im Zentrum für Psychiatrie ≪ZfP≫ W. bewohnt er seit dem 1. April 2005 im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens eine vom ZfP angemietete und an ihn untervermietete 3-Zimmer-Wohnung in R.. Die Wohnung ist 41 qm groß, voll möbliert und mit Haushaltsgeräten ausgestattet. Für die Wohnung muss der Kläger nach dem Mietvertrag vom 22. Februar 2005 neben dem - nicht im Streit stehenden - Mietzins von 185,- € und den Neben- und Heizkosten einen als “Zuschlag Nutzungsgebühr für Einrichtung" bezeichneten Betrag von monatlich 75,- € bezahlen. Dieser Zuschlag beinhaltet ausweislich einer Auskunft des ZfP vom 20. Oktober 2005 sowohl die anfallenden Instandsetzungen von Möbelstücken und Elektrogeräten als auch die Schönheitsreparaturen während des Mietverhältnisses und bei Auszug. Die Nutzungspauschale habe den Sinn, die Klientel im ambulant betreuten Wohnen bei der Wohnungsinstandsetzung und Renovierung zu entlasten, da sie in der Regel bei diesen Aufgaben aufgrund ihrer Erkrankung überfordert sei.

Mit Bescheid vom 23. Dezember 2004 hatte das Landratsamt B. dem Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII ab dem 1. Januar 2005 für 12 Monate bewilligt. Nach dem Umzug des Klägers in die Wohnung des ambulant betreuten Wohnens zum 1. April 2005 erließ der Beklagte am 17. März 2005 einen Änderungsbescheid, mit dem die Leistungen des Klägers neu festgesetzt wurden. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass alle vorhergehenden Bescheide hinsichtlich der Leistungshöhe aufgehoben seien, soweit sie sich auf gleiche Zeiträume beziehen. Die übrigen Bestimmungen des letzten Bescheides blieben bestehen. Der Beklagte übernahm die Kaltmiete sowie die Neben- und Heizkosten vollumfänglich, nicht aber die Nutzungspauschale. Der Bescheid enthält hierzu den Hinweis, dass die monatliche “Pauschale für die Einrichtungsgegenstände" nicht berücksichtigt werden könne. Der Bescheid wurde nicht angefochten.

Auf Wunsch der den Kläger im ambulant betreuten Wohnen betreuenden Person änderte der Beklagte mit Bescheid vom 31. März 2005 die Zahlungsweise der Miete dahingehend ab, dass diese ab dem 1. Mai 2005 direkt an den Vermieter überwiesen wurde. Der Bescheid enthält (wiederum) den Hinweis, dass dieser alle vorhergehenden Bescheide über die Höhe der Gewährung von Hilfe nach dem SGB XII aufhebe, soweit sie sich auf gleiche Zeiträume bezögen und dass die übrigen Bestimmungen des letzten Bescheides bestehen blieben. Mit Schreiben vom 21. April 2005 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 31. März 2005 Widerspruch ein, den er durch das ZfP damit begründen ließ, ...

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