Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Dienstreise. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. subjektive Sicht. keine objektiven Anhaltspunkte. gemischte Tätigkeit. Unfallkausalität. Outdoor-Meeting. Bergwanderung. Besprechung betrieblicher Themata und jeweiliger Führungsstil. keine Vertragspflicht. Ausrutschen auf nassem Gestein

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer Bergwanderung, auf der über betriebliche Themen einschließlich des jeweiligen Führungsstils gesprochen wird ("Outdoor-Meeting"), weist auch bei einer Einstufung als gemischte Tätigkeit zumindest die zur Verunfallung führende Wanderung keinen betrieblichen Bezug auf.

2. Ein Mitarbeiter, der eine arbeitsvertraglich objektiv nicht geschuldete Wanderung ohne ausreichenden betrieblichen Bezug antritt, kann auch nicht subjektiv von einem solchen ausgehen, wenn die Tätigkeit von einem gleichgeordneten Kollegen vorgeschlagen und vorbereitet worden ist.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Dezember 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen ihre Verurteilung zur Feststellung eines Arbeitsunfalls.

Die 1970 geborene Klägerin war seit längerem bei der ehemaligen D.T.K. GmbH beschäftigt. Auf Grund eines „dreiseitigen Vertrags“ vom 21. März 2013 wechselte sie mit Ablauf des 28. Februar 2013 zur ehemaligen D.T.T.S. GmbH (seit Juni 2017 D.T.A. GmbH, vgl. Handelsregister Amtsgericht B., abgerufen am 29. Oktober 2018). Ausweislich des Arbeitsvertrags, den die Klägerin im Berufungsverfahren zur Akte gereicht hat, wird sie dort außertariflich als „Leiterin II“ in S. beschäftigt. Der Vertrag sieht vor, dass ihr die Arbeitgeberin „auch eine andere, ihren Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende, mindestens gleichwertige Tätigkeit“ übertragen kann. Im Übrigen enthält der Vertrag keinerlei Angaben zu den Aufgabenfeldern der Klägerin oder ihren tätigkeitsbezogenen arbeitsvertraglichen Pflichten im Einzelnen. Die Beschäftigung erfolgt außertariflich (§ 1 des Vertrags), die Vergütung betrug bei Vertragsschluss € 83.592,00 jährlich, bestehend aus einem festen und einem variablen Gehaltsbestandteil (§ 5 Nr. 1). In § 8 des Vertrags ist geregelt, dass die Arbeitgeberin - freiwillig - die Klägerin in eine bestehende Gruppenunfallversicherung aufnehme.

Am 9. Juni 2015 fuhr sie nach M., wo sie an einem auf zwei Tage angelegten Treffen mit Kollegen teilnehmen wollte. Hierbei handelte es sich um die späteren Zeugen E., M. und S., die in anderen Bezirken innerhalb Deutschlands die gleiche Tätigkeit ausführten wie die Klägerin. Ferner sollte der spätere Zeuge R. teilnehmen, der als „Ressortleiter“ eine gewisse Vorgesetztenfunktion ausübte. Am Nachmittag des 9. Juni 2015 fuhren die Klägerin und die drei Kollegen, jedoch nicht der Zeuge R., von M. an den T. und begannen eine Wanderung auf einen der dortigen Berge, den 1.722 m hohen W.. Auf dem Rückweg den Berg hinab rutschte die Klägerin aus und verletzte sich an der rechten Hand. Die drei Kollegen halfen ihr bei dem restlichen Abstieg und trugen auch ihre Sachen. Sie fuhren sie dann mit dem Pkw, mit dem sie auch gekommen waren, nach M.. Zu einer nicht genau bekannten Uhrzeit, aber noch am 9. Juni, begab sich die Klägerin in die Rotkreuzklinik M.. Dort wurde eine distale Radiusextensionsfraktur rechts diagnostiziert, der Arm wurde in einer dorsalen Gipsschiene ruhig gestellt (vgl. den Behandlungsbericht der Rotkreuzklinik, Assistenzarzt F., vom Unfalltag). Nach ihren späteren Angaben begab sich die Klägerin danach in das bereits zuvor gebuchte Hotel. Auch am 10. Juni nahm sie noch - zumindest teilweise - an Veranstaltungen im Rahmen des Treffens in M. teil. Abends ließ sie sich von ihren Kollegen bzw. ihrem Ehemann nach Hause fahren.

Die Arbeitgeberin erstattete am 10. Juni 2015 betriebliche Unfallanzeige. Sie gab dabei 15.30 Uhr als Unfallzeitpunkt an. Die Klägerin sei mit den drei Kollegen zu einem „Best-Practice-Austausch“ auf dem Berg „wandern“ gewesen und dabei ausgerutscht, weil es geregnet habe und die Steine nass gewesen seien. Die Arbeitszeit am 9. Juni 2015 habe von 09.00 bis 18.30 Uhr gedauert.

Am 11. Juni 2015 suchte die Klägerin in H. den Durchgangsarzt Dr. M. auf, der die Diagnose bestätigte und die konservative Therapie weiterführte. Er gab dabei an, die Arbeitszeit der Klägerin am 9. Juni 2015 habe um 14.00 Uhr begonnen, der Unfall sei - auf einem „Betriebsausflug“ - um 16.00 Uhr geschehen, das Ende der Arbeitszeit sei 23.00 Uhr gewesen (vgl. D-Arzt-Bericht von diesem Tage).

Nachdem die Beklagte die Unfallanzeige und den Bericht erhalten hatte, leitete sie am 15. Juni 2015 das Verwaltungsverfahren ein. Die Arbeitgeberin teilte mit E-Mail vom 19. Juni 2015 mit, sie sei Veranstalterin der „betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung“ gewesen, diese habe den Zweck „Abstimmung Ressortleiter des Bereichs / Teambuilding“ ge...

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