Entscheidungsstichwort (Thema)

Struktur-Kurzarbeitergeld. Bedrohung durch Entlassung. ordentliche Unkündbarkeit älterer Arbeitnehmer. Verzicht auf tarifliches Recht durch Haustarifvertrag mit Zustimmung der Arbeitnehmer

 

Orientierungssatz

Ältere Arbeitnehmer, die nach Manteltarifvertrag nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden können, sind nicht iS von § 175 SGB 3 von Entlassung bedroht und fallen auch dann nicht unter den Schutzzweck der Norm, wenn auf die ordentliche Unkündbarkeit durch Haustarifvertrag mit Zustimmung der Arbeitnehmer verzichtet wird.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.01.2008; Aktenzeichen B 7/7a AL 20/06 R)

 

Tatbestand

Im Streit steht die Gewährung von Struktur-Kurzarbeitergeld bezüglich bestimmter Arbeitnehmer der Klägerin.

Am 12. September 2001 beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 10. September 2001 die Gewährung von Struktur-Kurzarbeitergeld gemäß § 175 SGB III für die beE (= betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit) e.-e ... Zur Begründung führte sie an, aufgrund schwerwiegender Veränderungen der wirtschaftlichen Situation und damit verbunden notwendiger Umstrukturierungsmaßnahmen, die mit anzeigepflichtigen Massenentlassungen einhergingen, hätten sich die Betriebsparteien im Rahmen ihrer Interessenausgleichsverhandlungen auf einen möglichst sozial verträglichen Personalabbau geeinigt. Demzufolge solle den ansonsten von Entlassungen betroffenen Arbeitnehmern der Fa. e. e. Alarm angeboten werden, in eine zu bildende betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit gemäß § 175 SGB III überzuwechseln. Träger der beE solle die m. B-GmbH in R. sein (siehe Betriebsvereinbarung zwischen der Fa. e. e. Alarm und dem Betriebsrat sowie der IG Metall vom 3. September 2001- Blatt 48 ff VA -). Daneben hatte die Fa. e. e. Alarm mit der IG Metall einen Haustarifvertrag vom 3. September 2001 für die Beschäftigten der Fa. e. e. A. GmbH geschlossen. Alleiniger Inhalt dieser Vereinbarung war, dass § 4.4 des Manteltarifvertrages vom 11. Dezember 1996/16. Dezember 1997 keine Anwendung findet und für die Beschäftigten die ordentlichen Kündigungsfristen gemäß § 4.5 des Manteltarifvertrages gelten (Blatt 12/13 Verwaltungsakte - VA -). Der Haustarifvertrag trat am 15. September 2001 in Kraft und endete am 30. September 2002 ohne Nachwirkung.

Auf die Anzeige der Klägerin vom 16. Oktober 2001 - bei der Beklagten am 22. Oktober 2001 eingegangen - teilte das Arbeitsamt Balingen (Beklagte) der Klägerin mit Bescheid vom 5. Dezember 2001 (Blatt 85 VA) mit, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld erfüllt seien und deshalb Kurzarbeitergeld den vom Arbeitsausfall betroffenen ehemaligen Arbeitnehmern der Fa. e. e. A. GmbH in A., die in der gebildeten Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft beE e. e. A. GmbH zusammengefasst würden, bewilligt werde. Kurzarbeitergeld werde ab 1. Oktober 2001 für die Zeit des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen, längstens jedoch bis 31. März 2002 (Ablauf der vorläufigen Bezugsfrist) bezahlt. Die Beklagte stellte im Weiteren jedoch fest, dass die im Manteltarifvertrag der Metallindustrie enthaltene Kündigungsbeschränkung der Gewährung von Kurzarbeitergeld für Personen, die das 53. Lebensjahr vollendet und dem Betrieb mindestens drei Jahre angehören, entgegenstehe. Der erworbene Kündigungsschutz könne nach der geltenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nicht abgeändert werden. Demzufolge hätten keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld zumindest die bislang bekannten nachfolgenden Personen: E. - G. - W. - Z. - B. - F. - I. - K. - Sch.

Hiergegen erhob die Klägerin am 21./27. Dezember 2001 Widerspruch mit der Begründung, bezüglich der betroffenen Arbeitnehmer sei diesen gegenüber jeder Einzelfall dargestellt bzw. könne für jeden Einzelfall dargestellt werden, dass diese u. a. deshalb kündbar seien, weil im Unternehmen kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Darüber hinaus sei hier offensichtlich die Frage der Tarifbindung für die einzelnen Arbeitnehmer nicht geprüft worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte in diesem Zusammenhang u. a. noch aus, dass auf der Grundlage der tarifvertraglichen Regelungen (Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Metallindustrie Südwürttemberg-Hohenzollern § 4 4.4) der von Arbeitnehmern erworbene Kündigungsschutz eine Rechtsposition darstelle, die Bestandsschutz gewährleiste. Der einmal erworbene Status der Unkündbarkeit sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts tariflicher Abänderbarkeit entzogen (Hinweis auf Urteil vom 15. November 1995 - Az. 2 AZR 521/95 -). Des Weiteren gelte der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Metallindustrie Südwürttemberg-Hohenzollern für alle Beschäftigten der Fa., gebunden sei auch die Fa. e. e. A ... Dies werde auch dadurch belegt, dass der Betriebsrat als Arbeitnehmervertreter einen nicht rechtswirksamen Haustarifvertrag zur Abänderung der Anwendung des geltenden Manteltarifvertrags gezielt für die ...

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