Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsanspruch. Verwaltungsakt. öffentlich rechtliche Verwaltungstätigkeit. bewusstes und gewolltes Überschreiten der Vertretungsbefugnis eines Behördenmitarbeiters mit dem Ziel der Schädigung der Behörde. Zurechenbarkeit

 

Orientierungssatz

1. Zum Nichtvorliegen eines Anspruchs der Elterngeldbehörde auf Erstattung von zu Unrecht gezahltem Elterngeld, wenn die Elterngeldzahlung an den Kontoinhaber - wie hier - durch einen Mitarbeiter der Elterngeldbehörde veranlasst wurde, der zwar im Außenverhältnis befugt war Elterngeldentscheidungen freizugeben, der jedoch seine Rechtsstellung bewusst und gewollt zu dem alleinigen Zweck missbraucht hat, die Behörde zu schädigen (hier: Zahlung von Elterngeld für nicht existierende Kinder).

2. Hat ein Behördenmitarbeiter, der befugt und bevollmächtigt gewesen ist, Entscheidungen mit Wirkung für und gegen die Behörde zu treffen seine Rechtsstellung zu dem alleinigen Zweck missbraucht, die Behörde zu schädigen, muss sich die Behörde das dolose, die eingeräumte Vertretungsbefugnis bewusst und gewollt überschreitende Verhalten ihres Mitarbeiters nicht zurechnen lassen.

3. Bei einer bewussten und gewollten Straftat - wie der hier Vorliegenden - überschreitet der Mitarbeiter die ihm eingeräumte Befugnis, eine Behörde zu vertreten. Dieses strafbare Handeln kann dem Handeln einer zum Erlass von Verwaltungsakten allgemein nicht befugten Personen gleichgestellt werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.09.2013; Aktenzeichen B 10 EG 7/12 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.12.2010 sowie der Bescheid der Beklagten vom 02.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.08.2009 aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung eines Elterngeld bewilligenden Bescheids sowie die Erstattung von 28.350,00 € streitig.

Die Beklagte überwies auf Veranlassung einiger ihrer ehemaligen Mitarbeiter einen Betrag von insgesamt 28.350 € als Elterngeld an den Kläger, obwohl dieser keine Kinder hat und auch keinen Antrag auf Gewährung von Elterngeld gestellt hatte. Einer dieser ehemaligen Mitarbeiter war ein Herr Z. (Z). Er war mit der Bearbeitung von Elterngeldangelegenheiten betraut und im Außenverhältnis befugt, für die Beklagte Entscheidungen über die Gewährung von Elterngeld zu treffen, indem er entsprechende Entscheidungen der Sachbearbeitung allgemein freigeben durfte. Organisatorisch war Z dem Team “Mindestbetrag Ausland„ zugewiesen. Zusammen mit weiteren ehemaligen Mitarbeitern der Beklagten bzw Mitarbeitern von bei der Beklagten tätigen Personaldienstleistungsunternehmen bewilligte er unter Ausnutzung seiner Stellung und Befugnisse Elterngeld für nicht existierende Kinder an reale oder fiktive Personen. Dazu stellte Z unter falschem Namen - teilweise existieren diese Personen (zB der Kläger), teilweise waren die Personen frei erfunden (zB Frau A und Frau C) - Anträge, die elektronisch erfasst, durch mit Z zusammenarbeitende Sachbearbeiter bearbeitet und von Z freigegeben wurden. Die Elterngeldbeträge wurden auf Konten von Personen gezahlt, die Herr Z bzw seine Mittäter unter dem Vorwand, ein Konto zum Empfangen von Überweisungen zu benötigen, angesprochen hatten. Nach Zahlungseingang auf dem jeweiligen Konto sollte der Kontoinhaber Z bzw dessen Mittätern das Geld übergeben. Die auf diese Weise ausbezahlten Elterngeldbeträge sollten damit letztlich Z und den anderen mit ihm zusammenwirkenden Mitarbeitern zufließen. Insgesamt entstand der Beklagten ein Schaden iHv 108.450,00 €.

Z war für den Schaden in vollem Umfang verantwortlich, eine weitere Mitarbeiterin war bei einer Schadensverursachung iHv 74.250,00 € beteiligt (zum jeweiligen Beteiligungsverhältnis vgl Blatt 34 der Senatsakte). Gegen diese Mitarbeiterin wurde nach Zahlung eines Betrages über 2.00,00 € eine zivilrechtliche Forderung der Beklagten über 72.250,00 € zuzüglich Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz ab Zustellung des Mahnbescheids tituliert; sie verfügt derzeit nicht über pfändbares Einkommen und Vermögen und leistet seit dem 01.10.2009 monatliche Teilzahlungen in Höhe von 50,00 €. Nachdem Z die volle Verantwortung für sein Tun übernommen hatte, auch gegenüber dem Kläger anwaltlich erklären ließ, die volle Haftung zu übernehmen, nahm er sich im September 2009 das Leben; seine Erben schlugen das Erbe aus. Die Mittäter wurden strafrechtlich verurteilt.

Dem vorliegenden Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Im Sommer 2008 trat Z an den Kläger heran, den dieser vom Sportverein und über eine Freundschaft der Familie seiner Frau mit den Eltern des Klägers kannte. Er fragte den Kläger, ob dieser ihm sein Konto für den Eingang von Geldzahlungen zur Verfügung stellen könne. Das Geld stamme von seinem Arbeitgeber bzw seiner Mutter. Seine Frau solle von dem Geld aber nichts erfa...

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