Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung der Rentner. Anrechnung von Zeiten der freiwilligen Mitgliedschaft oder Familienversicherung bei Vorversicherungszeiten innerhalb der Rahmenfrist. kein Anspruch auf Bestehen einer Familienversicherung nach einer verfassungswidrigen Verschärfung der Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR ohne eine Neuregelung durch den Gesetzgeber innerhalb der vom BVerfG gesetzten Frist

 

Orientierungssatz

1. Ein durch ein verfassungswidriges Gesetz Begünstigter hat keinen Anspruch darauf, in seinem Vertrauen auf den Fortbestand einer verfassungswidrigen Regelung geschützt zu werden - hier zur Frage des Bestehens einer Familienversicherung anstelle einer Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nach dem Beschluss des BVerfG vom 15.3.2000 - 1 BvL 16/96 = BVerfGE 102, 68 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42 zur Verfassungswidrigkeit der Verschärfung der Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB 5 durch das "Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung" - Gesundheitsstrukturgesetz - GSG vom 21.12.1992 (BGBl I 2000, 2266).

2. Es ist nicht verfassungswidrig, dass ein versicherungspflichtiger Rentner nach Einführung einer eigenen Beitragspflicht auch dann in der eigenen Versicherung verbleiben muss, wenn ohne diese für ihn ein Anspruch auf Familienhilfe (jetzt Familienversicherung) besteht (vgl BSG vom 23.2.1988 - 12 RK 33/87 = SozR 2200 § 165 Nr 93 und vom 14.3.2006 - B 12 KR 74/05 B).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.09.2013; Aktenzeichen B 12 KR 13/11 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie (auch) seit 01. April 2005 anstelle einer Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) familienversichert sei.

Die am 1939 geborene Klägerin legte vom 01. September 1953 bis 31. Juli 1956 Pflichtbeitragszeiten in der DDR zurück. Seit 27. August 1956 gehörte sie der Rentenversicherung der Angestellten an. Die durchgängigen Pflichtbeitragszeiten enden mit 31. Dezember 1964. Vom 01. Januar bis 31. Dezember 1967 wurde eine Pflichtbeitragszeit für Kindererziehung zurückgelegt. Sodann entrichtete die Klägerin noch vom 01. Januar 1979 bis 31. Dezember 1992 durchgängig freiwillige Beiträge. Weitere rentenrechtliche Zeiten sind nicht vorhanden.

Die Klägerin ist seit 1957 mit M. R. verheiratet. Er war seit September 1964 freiwilliges Mitglied der damaligen Allgemeinen Ortskrankenkasse S. (AOK) und optierte im April 2002 für die freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung auch nach der Bewilligung einer Altersrente. Nach dem Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung zum 31. Dezember 1964 war die Klägerin über ihren freiwillig versicherten Ehemann bei der AOK familienversichert. Zum 01. Juni 2004 erfolgte ein Wechsel zur Betriebskrankenkasse Conzelmann, die zum 01. Januar 2006 mit der jetzigen Beklagten fusionierte, sowie zum 01. April 2005 zur Betriebskrankenkasse Hochrhein-Wiesenthal, die zum 01. Oktober 2007 mit der Beklagten fusionierte.

Auf den Antrag vom 29. April 2004 bewilligte die damalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (hier: Beigeladene zu 2) der Klägerin durch Bescheid vom 05. Oktober 2004 Regelaltersrente ab 01. Februar 2004. Der anfängliche monatliche Bruttobetrag belief sich auf € 281,76. Hiervon wurde ein anfänglicher Beitragsanteil zur Krankenversicherung von € 14,37 und zur Pflegeversicherung von € 2,39 abgezogen, sodass sich ein anfänglicher monatlicher Nettobetrag von € 265,00 ergab. Wegen des Wechsels der Krankenkassen und aufgrund der Neubewertung von rentenrechtlichen Zeiten ergingen Neuberechnungsbescheide vom 29. November 2004, 19. Januar 2005, 04. Februar 2005, 14. April 2005, 09. August 2005, 05. Februar 2007, 27. September 2007, 27. November 2007 und vom 06. Februar 2009, in denen die Beigeladene zu 2) jeweils von einer Pflichtversicherung der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung ausging. Gegen sämtliche Bescheide erhob die Klägerin aus verschiedenen Gründen Widerspruch, über welchen bisher nicht abschließend entschieden ist. Die Klägerin machte dabei von Beginn an auch geltend, sie sei kein Pflichtmitglied der KVdR, sondern kostenfrei familienversichert. Die Stammversicherung des Ehemannes sei eine freiwillige Versicherung. Dies führe dazu, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 11 Halbsatz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht erfüllt seien. Unstreitig sei sie vor Stellung des Rentenantrags nicht mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums seit Aufnahme der Berufstätigkeit aufgrund einer Pflichtversicherung Mitglied gewesen. Da die Familienversicherung aufgrund der freiwilligen Versicherung des Ehegatten nach § 9 SGB V bestanden habe, sei si...

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