Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermittlung Arbeitsloser und Arbeitsuchender. Selbstinformationssystem (SIS). Einführung einer personenbezogenen Nutzerregistrierung für nicht freigegebene Internetseiten. kein Anspruch auf anonyme Nutzung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Mit der Bereitstellung der Computerarbeitsplätze im Selbstinformationssystem (SIS) bzw Berufsinformationssystem (BIZ) erfüllt die Bundesagentur für Arbeit (BA) ihre Verpflichtungen aus den §§ 35, 41 SGB 3 Arbeitslosen bzw Ausbildungs- und Arbeitsuchenden Gelegenheit zu geben, sich über freie Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu informieren. Zur Vermeidung von Missbrauch und Internetstraftaten wurde für nicht berufsbezogene Internetrecherchen eine personenbezogenen Nutzerregistrierung eingeführt. Ein Anspruch auf ungehinderten und anonymen Zugang zum Internet an diesen Plätzen kann weder aus den genannten Vorschriften noch aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung oder dem Sozialstaatsprinzip hergeleitet werden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 16.07.2010; Aktenzeichen B 11 AL 180/09 B)

 

Tatbestand

Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob die Beklagte zu Recht für von ihr nicht freigegebene Internetseiten in ihrem Berufsinformationszentrum (BIZ) eine personenbezogene Nutzerregistrierung vom Kläger verlangt.

Der 1972 geborene Kläger bezieht laufend Arbeitslosengeld II (Alg II) von der ARGE B.

Die beklagte Bundesagentur für Arbeit (BA) stellt im BIZ der Agentur für Arbeit (AA) Freiburg Internetarbeitsplätze zur Verfügung.

Im Juli 2004 führte die Zentrale der Beklagten mit der Handlungsempfehlung (HEGA) 7/2004 vom 20.07.2004 die personenbezogene Nutzerregistrierung in ihren Internetcentern ein. Da es in der Vergangenheit zu Verstößen gegen die bestehende Nutzerordnung gekommen sei, diese in einigen Fällen auch zu Straftaten geführt hätten und wegen der anonymen Nutzung der Plätze ein Täter nicht habe aufgedeckt werden können, wurde es zur Disposition jeder einzelnen AA gestellt, ob sie für die Internetseiten außerhalb des unmittelbaren Angebots der Beklagten (arbeitsagentur.de, Stellenbörsen im Arbeitsmarktportal, berufe.net.de, Filmseiten etc.) eine personenbezogene Nutzerregistrierung einführe. Die AA Freiburg verblieb daraufhin zunächst bei der anonymen Nutzung ohne Registrierung.

Nachdem die HEGA 12/2008 die HEGA 7/2004 aufhob und wegen nach wie vor bestehender Verstöße gegen die Nutzerordnung nunmehr die Nutzerregistrierung für Internetseiten außerhalb des Angebots der Beklagten verbindlich vorschrieb, führte auch die AA F. die Registrierungspflicht für nicht freigegebene Seiten sowie die Speicherung der personenbezogenen Daten und der Zugriffsdaten der Benutzer ein.

Hiergegen hat der Kläger am 16.03.2009 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, ihm werde dadurch ein anonymes Abfragen von Informationen im Internet unmöglich. Seine Passwörter könnten eingesehen werden. Die Seiten, die er aufrufe, könnten ebenfalls eingesehen werden. Dies verstoße gegen sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Er wolle nicht, dass andere erfahren könnten, wo er nach Stellen suche und sich über Unternehmen informiere. Er wolle auch nicht, dass seine E-Mails von anderen gelesen werden könnten.

Die Beklagte hat hierauf erwidert, dass das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung durch die Registrierungsmaßnahme nicht berührt oder gar verletzt werde. Die vom Kläger erhobene Leistungsklage erachte sie daher für unbegründet. Sie als Eigentümerin der Internetarbeitsplätze stelle der Öffentlichkeit ohne rechtliche Verpflichtung Internetarbeitsplätze zur Verfügung, um dem Bedürfnis nach Informationen über Teilhabemöglichkeiten am Arbeits-, Ausbildungs- und Weiterbildungsmarkt entgegenzukommen. Sie habe daher das Recht, für anmeldepflichtige Seiten, die nicht ihr unmittelbares Angebot beträfen, eine personenbezogene Registrierungspflicht einzuführen, damit das von ihr zur Verfügung gestellte Angebot sachgerecht genutzt werden könne, Missbrauch und ggf. Straftaten vermieden bzw. aufgedeckt werden könnten. Die Nutzung ihrer unmittelbar arbeitsmarktbezogenen Angebote und thematisch angrenzender Internetseiten anderer Anbieter sei nach wie vor anonym und anmeldefrei. Ergänzend hat sie auf die von ihr in Kopie übersandten HEGA 7/2004 und 12/2008 verwiesen. Hinsichtlich deren genauen Inhalts wird auf Bl. 5 - 7 der SG-Akte Bezug genommen.

Der Kläger hat ergänzend ausgeführt, dass er beantrage, die Ausführungen der Beklagten abzuweisen und zu bestätigen, dass es sich bei der Einführung der Registrierungspflicht um einen Verwaltungsakt handele. Dieser sei nicht hinreichend bestimmt und willkürlich. Er habe als Hilfebedürftiger ein berechtigtes Interesse an der Nutzung der Internetarbeitsplätze. Es liege ein Verstoß gegen seine Grundrechte vor.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.06.2009 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Leistungsklage des Klägers zwar zulässig, jedoch unbegründet sei. Die Hand...

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