Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Verschuldenskosten. Auferlegung gegenüber Prozessbevollmächtigten nicht möglich. Beschwerderecht in eigenem Namen. Rechtsmitteleinlegung bei fehlerhafter Entscheidungsform

 

Leitsatz (amtlich)

Einem Prozessbevollmächtigten können Verschuldenskosten nicht auferlegt werden.

Ein Prozessbevollmächtigter kann hiergegen Beschwerde in eigenem Namen einlegen.

 

Orientierungssatz

Entscheidet das Gericht nicht in der korrekten Entscheidungsform (Urteil statt Beschluss), kann der Beteiligte auch das Rechtsmittel einlegen, das gegen die Entscheidung gegeben wäre, die richtigerweise zu erlassen war.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der im Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. November 2016 getroffene Beschluss, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers Kosten in Höhe von € 250,00 aufzuerlegen, aufgehoben.

Die Staatskasse hat dem Prozessbevollmächtigten des Klägers die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf € 250,00 festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wendet sich als Beschwerdeführer gegen die Auferlegung von Verschuldenskosten.

Im Rahmen des Klageverfahrens des Klägers vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG; S 8 P 3278/14) beraumte dieses durch Terminmitteilung vom 7. April 2016, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 8. April 2016, für den 10. Mai 2016 eine mündliche Verhandlung an, an der der Kläger, nicht aber sein Prozessbevollmächtigter teilnahm. Auf Antrag des Klägers vertagte das SG die Verhandlung und wies auf seine Absicht hin, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers Verschuldenskosten aufzuerlegen.

Nachdem die Beteiligten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hatten, wies das SG ohne Anberaumung eines neuen Termins die Klage mit Urteil vom 22. November 2016 ab und sprach des Weiteren als Ziffer 3 des Tenors aus, der Klägervertreter habe dem Gericht Kosten in Höhe von € 250,00 zu erstatten. Zur Auferlegung der Kosten nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an den Prozessbevollmächtigten des Klägers führte es aus, dieser sei zulässiger Adressat der Verschuldenskosten (Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Urteile vom 29. Februar 2012 - L 29 AS 1144/11 -, vom 8. Mai 2008 - L 8 R 8/04 und L 8 RA 94/04 -; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. August 2010 - L 8 SO 159/10 - alle juris). Auf telefonische Nachfrage der Kammervorsitzenden am Verhandlungstag habe er mitgeteilt, der Termin sei in seinem Kalender versehentlich nicht eingetragen worden. Somit habe er es trotz ordnungsgemäßer Ladung aufgrund eines Kanzleifehlers schuldhaft versäumt, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, die daraufhin auf Antrag des Klägers vertagt worden sei. Als verursachter Kostenbetrag sei neben dem Mindestbetrag nach § 192 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 184 Abs. 2 SGG ein am unteren Rahmen einer Termingebühr orientierter Betrag von € 100,00 zu berücksichtigen. Die dem Urteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung wies als statthaftes Rechtsmittel allein die Berufung aus.

Gegen das ihm am 17. Januar 2017 zugestellte Urteil legte allein der Kläger Berufung zum LSG Baden-Württemberg (L 4 P 534/17) ein, die durch gerichtlichen Vergleich vom 15. November 2017 erledigt wurde.

Am 27. November 2017 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers beim LSG Baden-Württemberg im eigenen Namen Beschwerde eingelegt, mit der er die Aufhebung der Ziffer 3 des Urteils vom 22. November 2016 begehrt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Verhandlung sei tatsächlich nicht vertagt worden. Vertagung werde als Bestimmung eines neuen Termins in einem noch nicht beendeten Termin definiert. Ein neuer Termin sei aber nicht bestimmt, sondern ohne mündliche Verhandlung entschieden worden. Er, der Prozessbevollmächtigte des Klägers, habe sein Nichterscheinen entschuldigt; so habe er mitgeteilt, dass aufgrund eines Kanzleiversehens der Termin im händisch geführten Kalender nicht eingetragen bzw. gestrichen gewesen sei. Kosten könnten des Weiteren nur Beteiligten i.S.d. § 69 SGG auferlegt werden, wozu der Prozessbevollmächtigte eines Beteiligten nicht gehöre. Dies entspreche der überwiegenden Kommentarauffassung. Schließlich sei er für die “Vertagung„ nicht verantwortlich, da er sie nicht beantragt habe.

Der Beschwerdeführer beantragt,

Ziffer 3 des Urteils des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. November 2016 aufzuheben.

Auf den Inhalt der Verfahrensakten des Senats wird ergänzend Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist zulässig.

a) Die Beschwerde ist statthaft.

aa) Die Beschwerde an das LSG findet nach § 172 Abs. 1 SGG gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Zwar hat das SG dem Prozessbevollmächtigten des Klägers die Verschuldenskosten in einem Urteil...

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