Entscheidungsstichwort (Thema)

Kranken- und Pflegeversicherung. Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus einer als Direktversicherung abgeschlossenen betrieblichen Altersversorgung für zivile Arbeitnehmer der amerikanischen Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die zum 1.1.2004 mit dem GKV-Modernisierungsgesetz - GMG - vom 14.11.2003 (BGBl I 2003, 2190) eingeführte Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus der betrieblichen Altersversorgung in der Kranken- und Pflegeversicherung (hier: aus einer im Jahr 1981 als Direktversicherung abgeschlossenen betrieblichen Altersversorgung für zivile Arbeitnehmer der amerikanischen Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland) gem § 229 Abs 1 S 3 SGB 5 idF vom 14.11.2003 verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

2. Die Kapitalleistung darf der Beitragserhebung zugrunde gelegt werden, weil sie eine der Rente vergleichbare Einnahme (§ 226 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 5) iS des § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 5 darstellt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Beitragspflicht der Kapitalleistung aus einer Lebensversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung.

Der 1957 geborene Kläger, der seit 09.06.2004 bei der Beklagten als Rentenantragsteller in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) gesetzlich kranken- und pflegeversichert ist, war bei den US-Streitkräften als Busfahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Im Einvernehmen mit den amerikanischen Stationierungskräften hatte die Bundesrepublik Deutschland für den Kläger bei der A Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft eine in einem Gruppenversicherungsvertrag geführte Kapital-Lebensversicherung zur betrieblichen Altersversorgung abgeschlossen. Die Beiträge hierfür wurden von den Stationierungsstreitkräften entrichtet. Bezugsberechtigter war der Kläger bzw. seine Hinterbliebenen. Nach dem Vertrag endete die Kapital-Lebensversicherung a) bei Eintritt des Versicherungsfalles (Tod oder Vollendung des 65. Lebensjahres) oder b) durch Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles.

Wegen eines betrieblichen Verkehrsunfalls am 19.06.2001 war der Kläger ab diesem Datum arbeitsunfähig krank. Auf die von ihm gegen die ausgesprochene Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage wurde das Beschäftigungsverhältnis einvernehmlich zum 30.06.2004 beendet.

Am 17.08.2004 teilte die A Lebensversicherungs-AG der Beklagten mit, dass dem Kläger am 16.08.2004 eine zum 30.06.2004 fällige Kapitalzahlung der betrieblichen Altersversorgung aus dem Versorgungswerk für die Arbeitnehmer bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften in Höhe von 22.068,10 EUR ausbezahlt worden sei.

Die Beklagte forderte daraufhin mit Bescheid vom 23.08.2004 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf diese Kapitalleistung. Dabei verteilte sie die Kapitalleistung auf 120 Monate und errechnete unter Anwendung der Beitragssätze einen Monatsbetrag von 27,40 EUR zur gesetzlichen Krankenversicherung und von 3,13 EUR zur Pflegeversicherung.

Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er nicht Rentner sei. Das Rentenverfahren sei noch anhängig. Bei der Zahlung handele es sich nicht um eine Abfindung seitens des Arbeitgebers. Im übrigen sei § 229 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) verfassungswidrig. Die Norm verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Außerdem habe er den Verkehrsunfall bereits am 19.06.2001 gehabt. Seither habe er nicht gearbeitet. Es sei zwar richtig, dass das Arbeitsverhältnis am 30.06.2004 beendet worden sei, dies hätte jedoch genauso im Jahr 2002 oder 2003 erfolgen können. Er müsse deshalb so behandelt werden, wie wenn er den Betrag vor dem 01.01.2004 bekommen hätte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.04.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, der Kläger sei als Rentenantragsteller nach § 189 SGB V versichert. Bei Rentenantragstellern werde gemäß § 239 SGB V die Beitragsbemessung für die Zeit der Rentenantragstellung bis zum Beginn der Rente durch die Satzung geregelt. Ferner gelte für die Beitragsbemessung die Regelung wie bei freiwilligen Mitgliedern. Nach § 240 SGB V müsse bei freiwilligen Mitgliedern die Satzung der Krankenkasse mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtigen Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen seien. Für versicherungspflichtig Beschäftigte regele § 226 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, dass der Beitragsbemessung auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge) zugrunde gelegt werden. Die Satzung der AOK Baden-Württemberg habe festgelegt, dass zu den beitragspflichtigen Einnahmen bei freiwilligen Mitgliedern alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, gehören würden. Somit würden neben anderen Einnahmen auch Versorgungsbezüge die Grundlage für die Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung bilden. Die Berechnung richte...

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