Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarfsgemeinschaft. Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft. Vermutungsregelung. Beweislasterschwernis. Einkommensberücksichtigung. keine Absetzung ehebedingter Verbindlichkeiten des verheirateten Partners

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Vorliegen eines Vermutungstatbestandes nach § 7 Abs 3a SGB 2 bewirkt eine Beweislasterschwernis zu Lasten des Antragstellers. Zur Widerlegung der Vermutung genügt in der Regel nicht die schlichte Erklärung, nicht in einer Verantwortungsgemeinschaft zu leben.

2. Von dem Einkommen eines noch verheirateten Partners einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft können neben den Absetzungen nach § 11 Abs 2 SGB 2 grundsätzlich keine weiteren Abzüge wegen "ehebedingter Verbindlichkeiten" gemacht werden.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtschutzes die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab 1. Dezember 2006 in Höhe des von ihnen mit monatlich 441,15 € bezifferten ungedeckten Bedarfs.

Die am ... 1964 geborene Antragstellerin zu 1. ist geschieden; die aus der Ehe hervorgegangene Tochter S. lebt bei dem Vater in D., der gemeinsame Sohn, der Antragsteller zu 2., lebt seit dem 1. September 2005 bei ihr. Aufgrund Vereinbarung mit ihrem früheren Ehemann vom 1. August 2005 ist die Antragstellerin zu 1. allein für den Unterhalt des Antragstellers zu 2. verantwortlich, der frühere Ehemann allein für den der Tochter S.. Die Antragstellerin zu 1. übt seit dem 1. Juli 2006 vorläufig befristet bis 28. August 2007 eine Teilzeittätigkeit beim Amtsgericht E. -Notariat- aus, mit der sie ein monatliches Einkommen von 1.135,18 € brutto/855,30 € netto erzielt; außerdem bezieht sie Kindergeld in Höhe von 154,00 € für den Antragsteller zu 2.

Die Antragstellerin zu 1. lebt seit dem 1. September 2003 mit Herrn L. in einer 4-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 107,5 qm zusammen, welche dieser am 1. März 2003 zu einem Nettomietpreis von 700,- € monatlich angemietet hat; Nebenkosten fallen in Höhe von 190,- € monatlich an. Seit 1. September 2005 lebt dort auch der Antragsteller zu 2. Nach ihrem Vorbringen erstattet die Antragstellerin zu 1. monatlich 464,00 € an Herrn L.. Dieser lebt von seiner Ehefrau getrennt und hat ebenfalls zwei Kinder, die bei der Mutter in D. leben. Herr L. hat aufgrund eines familiengerichtlichen Vergleichs vom 15. Juli 2003 vor dem Amtsgericht Dresden - Familiengericht - monatlich 644,96 € an Trennungsunterhalt sowie 514,00 € an Kindesunterhalt zu zahlen. Für die Ausübung des Umgangrechts mit seinen Kindern wendet er nach seinen Angaben monatlich 128,67 € auf. Ausweislich einer vorgelegten Verdienstbescheinigung (für Dezember 2005) erzielt Herr L. aus einer nicht selbständigen Tätigkeit ein monatliches Einkommen von 5.186,00 € brutto/ 3.677,21 € netto (Bl. 74 der Verwaltungsakte).

Die Antragstellerin zu 1., die bis 30. März 2005 Arbeitslosengeld (Alg ) in Höhe von 30,97 € täglich bezog, beantragte am 15. Dezember 2005 erstmals für sich und den Antragsteller zu 2. Leistungen nach dem SGB II und gab dazu an, mit Herrn L. in einer eheähnlichen Gemeinschaft zu leben. In der Anlage zum Antrag bezeichnete sie ihn jeweils als “Partner". Unter anderem legte sie den Einkommensteuerbescheid des Herrn L. für das Jahr 2004 vor, in welchem die steuerliche Berücksichtigung von geltend gemachten Unterhaltsleistungen an die Antragstellerin zu 1. abgelehnt wurde.

Mit Bescheid vom 27. Dezember 2005 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag im Hinblick auf das Vermögen der Antragstellerin zu 1. ab. Auf den Widerspruch der Antragstellerin zu 1., in welchem sich diese selbst als “Lebensgefährtin„ von Herrn L. bezeichnete (Bl. 18 der Verwaltungsakte) und deren Neuantrag vom 18. Januar 2006 hob die Antragsgegnerin diesen Bescheid mit Bescheid vom 22.02.2006 auf und lehnte den Antrag erneut ab, nunmehr unter Hinweis auf das Einkommen des Herrn L.. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag wurden für den Antragsteller zu 2. Leistungen für die Zeit vom 15. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006 bewilligt. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2006 wurde der Widerspruch der Antragstellerin zu 1. als unbegründet zurückgewiesen mit der Begründung, unter Anrechnung des Einkommens des Herrn L. sei diese nicht bedürftig. Die dagegen erhobene Klage wurde vom Sozialgericht Stuttgart (SG) durch Urteil vom 17. Oktober 2006 (S 12 AS 4049/06) abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung ist beim Landessozialgericht anhängig (L 7 AS 5741/06).

Der Fortzahlungsantrag der Antragstellerin zu 1. vom 17. Juli 2006 wurde von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 1. August 2006 abgelehnt, der dagegen erhobene Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 13. November 2006 zurückgewiesen. Die dagegen erhobene...

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