Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Erstreckung der Prozessvollmacht auch auf das PKH-Überprüfungsverfahren nach § 120 Abs 4 S 2 ZPO. Zustellung an den Prozessbevollmächtigten. Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Beschwerdeverfahren. Umfang der Mitteilungspflicht des Beteiligten

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 172 Abs 3 Nr 2 SGG erfasst schon von seinem Wortlaut her nicht Beschwerden gegen einen die Bewilligung von PKH aufhebenden Beschluss nach § 124 Nr 2 ZPO.

2. Eine im Verfahren erteilte Prozessvollmacht erstreckt sich jedenfalls dann auch auf das Überprüfungsverfahren nach § 120 Abs 4 S 2 ZPO, wenn aus der Vollmachtsurkunde deutlich wird, dass die Bevollmächtigung nicht mit dem Hauptsacheverfahren endet und der Bevollmächtigte auch das PKH-Verfahren durchgeführt hat.

3. Ist die Prozessvollmacht auch im Überprüfungsverfahren zu beachten, sind die Aufforderung zur Erklärung nach § 120 Abs 4 S 2 ZPO und auch ein Beschluss nach § 124 Nr 2 ZPO an den Prozessbevollmächtigten zu richten.

4. Die im Überprüfungsverfahren vor dem Sozialgericht unterbliebene Erklärung nach § 120 Abs 4 S 2 ZPO kann im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden (Anschluss ua an LArbG Mainz vom 9.9.2010 - 1 Ta 149/10).

 

Orientierungssatz

Im Rahmen des Verfahrens nach § 120 Abs 4 S 2 ZPO kann die Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht verlangt werden; denn der Beteiligte ist nur zur Mitteilung wesentlicher Änderungen, nicht aber zur (erneuten) umfassenden Darlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse verpflichtet (vgl LArbG Mainz vom 2.9.2010 - 1 Ta 165/10; LArbG Hamm vom 12.4.2010 - 14 Ta 657/09; OLG Karlsruhe vom 12.10.2005 - 1 W 60/05 = OLGR Karlsruhe 2006, 609).

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 18. November 2010 wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. November 2010 aufgehoben.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers vom 18. November 2010 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart (SG) vom 11. November 2010 hat Erfolg; sie ist zulässig und begründet.

Die Beschwerde ist statthaft; ein gesetzlicher Ausschlusstatbestand greift nicht ein. Insbesondere findet § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444), wonach die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) ausgeschlossen ist, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint, keine Anwendung; Beschwerden gegen die Aufhebung von PKH werden schon vom Wortlaut des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht erfasst (vgl. Beschluss des Senats vom 8. Februar 2011 - L 13 AS 2819/10 B - m.w.N. - zur Veröffentlichung vorgesehen).

Die Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt (§§ 172 Abs. 1 und 173 SGG). Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die sich aus § 173 Satz 1 SGG ergebende Monatsfrist vorliegend schon nicht zu laufen begonnen hatte, da der Beschluss vom 11. November 2010 nicht ordnungsgemäß zugestellt worden war. Denn der Beschluss vom 11. November 2010 hätte gemäß § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG dem Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt werden müssen. Ausweislich der im Hauptsacheverfahren vorgelegten Vollmachtsurkunde erstreckte sich die vom Antragsteller erteilte Vollmacht auf die Prozessvertretung (u.a. gem. §§ 81 ff. ZPO und § 73 SGG), die Empfangnahme und Freigabe von Geld u.a. und der u.a. von der Justizkasse zu erstattenden Kosten und Aufwendungen (Nr. 4 der Vollmachtsurkunde), die Vertretung vor Sozialgerichten (Nr. 9 der Vollmachtsurkunde) sowie auf alle Nebenverfahren (Nr. 12 der Vollmachtsurkunde). Hieraus wird deutlich, dass die Bevollmächtigung sowohl die Kostenerstattung im PKH-Verfahren umfasst und auch nicht mit der Erledigung des Hauptsacheverfahrens (hier durch Rücknahme der Klage am 23. Mai 2007) enden sollte. Darüber hinaus hatte der Bevollmächtigte auch den Antrag auf PKH für den Antragsteller gestellt und das Bewilligungsverfahren für diesen betrieben. In einer solchen Konstellation erstreckt sich die nach § 73 SGG erteilte Prozessvollmacht auch auf das Verfahren der nachträglichen Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 120 Abs. 4 ZPO (so für den Fall der Prozessvollmacht nach § 81 ZPO zuletzt BGH, Beschluss vom 28. Dezember 2010 - XII ZB 38/09 - m.w..N. - juris; BAG, Beschluss vom 19. Juli 2006 - 3 AZB 18/06 - juris; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. Juli 2010 - 1 Ta 121/10 - juris; a. A. Thüringer LSG, Beschluss vom 8. Mai 2006 - L 6 B 10/06 SF m.w.N. - juris).

Die Beschwerde ist auch begründet, denn der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren die vom SG geforderten Unterlagen vorgelegt. Eine Nachholung der Mitwirkung ist auch noch im Beschwerdeverfahren zulässig (LAG Rheinl...

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