Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Zuständigkeit des Richters für das Überprüfungsverfahren gem § 120 Abs 4 S 2 ZPO. Unzulässigkeit einer routinemäßigen Überprüfung der Verhältnisse. Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung über eine Änderung der Verhältnisse. Form. Richterbrief. Unterschrift. Zustellung an den Prozessbevollmächtigten. Fortwirkung der Bevollmächtigung über die Beendigung des Hauptsacheverfahrens hinaus

 

Leitsatz (amtlich)

1. In der Sozialgerichtsbarkeit ist für das der Beschlussfassung nach § 124 Nr 2 Alt 2 ZPO vorausgehende Überprüfungsverfahren gem § 120 Abs 4 S 2 ZPO ausschließlich der Richter zuständig (Anschluss an LSG Stuttgart vom 9.6.2011 - L 13 AS 120/11 B).

2. Für die Einleitung des Überprüfungsverfahrens ohne konkreten Anlass im Zuge einer rein routinemäßigen Überprüfung besteht keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage; § 120 Abs 4 S 2 ZPO setzt einen konkreten Anlass für die Einleitung des Überprüfungsverfahrens voraus (Anschluss an LSG Stuttgart vom 9.6.2011 - L 13 AS 120/11 B).

3. Die Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung über eine Änderung der Verhältnisse gem § 73a SGG iVm § 120 Abs 4 S 2 ZPO ist dem bevollmächtigten Rechtsanwalt zuzustellen, der die Kläger insoweit auch nach dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiter vertritt (Anschluss an BGH vom 8.12.2010 - XII ZB 38/09 = MDR 2011, 183).

4. Die Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung über eine Änderung der Verhältnisse gem § 73a SGG iVm § 120 Abs 4 S 2 ZPO bedarf der Ausgestaltung als Richterbrief; die zugrunde liegende Verfügung und die zu übermittelnde Ausfertigung/beglaubigte Abschrift sind vom Richter mit vollem Namen zu unterzeichnen (vgl Urteil des BSG zu § 102 Abs 2 SGG vom 1.7.2010 - B 13 R 58/09 R = SozR 4-1500 § 102 Nr 1).

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. März 2011 wird aufgehoben.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Kläger/Beschwerdeführer wenden sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn (SG) vom 24.03.2011, mit welchem das SG den Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten bewilligenden Beschluss vom 15.04.2008 gestützt auf §§ 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 120 Abs. 4 Satz 1 und 2, 124 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) aufgehoben hat.

Im laufenden Klageverfahren S 8 AS 2559/07 hat der die Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits als Prozessbevollmächtigter vertretende Rechtsanwalt S. aus L. mit Schriftsatz vom 05.03.2008 die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter seiner Beiordnung beantragt.

Mit Beschluss vom 15.04.2008 hat das SG den Klägern antragsgemäß ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten mit der Maßgabe bewilligt, dass Reisekosten aus der Staatskasse bis zu dem Betrag zu erstatten sind, der bei zusätzlicher Beiordnung eines Verkehrsanwalts angefallen wäre. Beschwerde ist hiergegen weder von den Klägern noch der Staatskasse (Justizfiskus) erhoben worden.

Das Hauptsacheverfahren wurde am 11.07.2008 durch Vergleich erledigt. Die hierauf mit Kostennote vom 17.07.2008, abgeändert durch Schreiben vom 25.07.2008, geltend gemachten Gebühren wurden dem Bevollmächtigten der Kläger gemäß der Festsetzungsanordnung der hierfür zuständigen Kostenbeamtin des SG vom 28.07.2008 (Bl. 19 PKH-Akte) in Höhe von 725,90 Euro überwiesen.

Mit Schreiben vom 26.08.2010 forderte, ohne dass dem ein erkennbarer Anlass oder eine richterliche Verfügung zugrunde lagen, die Kostenbeamtin des SG, welche die Festsetzung der zu erstattenden Kosten vorgenommen hatte, den Kläger Ziff. 1 auf, binnen 4 Wochen nach Erhalt des Schreibens mitzuteilen, ob und ggf. welche Veränderungen in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingetreten seien und zu eingetretenen Änderungen Belege einzureichen. Für den Fall eines Bezuges von Sozialhilfe, “Arbeitslosenhilfe I oder II„ sowie Rente wurde der Kläger zur Vorlage des letzten Bewilligungsbescheides in Kopie aufgefordert. Sofern der Kläger Ziff. 1 seiner Mitteilungspflicht nicht nachkomme oder sich die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert hätten, könne die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgehoben werden. Ein Formular der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse war “gegen Rückgabe„ beigefügt. Das im Briefkopf mit “Die Kostenbeamtin„ als Absenderin gekennzeichnete Schreiben wurde von der Kostenbeamtin unterzeichnet und mit Postzustellungsurkunde (PZU) am 30.08.2010 zugestellt. Nachdem keine Reaktion verzeichnet werden konnte, erinnerte die Unterzeichnerin des Schreibens vom 26.08.2010, nunmehr unter dem Absender “8. Kammer„ und der Bezeichnung “Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle„, den Kläger Ziff. 1 an die Erledigung des Schreibens vom 26.08.2010 mit dem Zusatz: “Sollte bis zum 20.10.2010 keine Antwort eingehen, müssten Sie mit der Aufhebung des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe rechnen„. Eine richterliche Verfügung lag dem Sch...

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