Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Beitragspflicht. Beitragsentrichtung. Beitragsberechnung. Auszubildender mit Ausbildungsvergütung unter der Geringfügigkeitsgrenze bzw in der Gleitzone. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Berufsausbildung beschäftigte Personen, deren Ausbildungsvergütung unter der Geringfügigkeitsgrenze bzw in der Gleitzone liegt, haben keinen Anspruch darauf, keine Beiträge bzw geringere Beiträge zur Sozialversicherung entrichten zu müssen.

 

Orientierungssatz

Die unterschiedliche Behandlung der aufgrund eines Berufsausbildungsverhältnisses Sozialversicherungspflichtigen im Vergleich zu geringfügig Beschäftigten bzw Beschäftigten mit einem Arbeitsentgelt im Bereich der Gleitzone stellt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.07.2009; Aktenzeichen B 12 KR 14/08 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. November 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt, bei der Beitragsberechnung ihrer Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung für die Zeit vom 01.August 2005 bis 31. Juli 2006 die Vorschriften für geringfügig entlohnte Beschäftigte und für die Zeit vom 01. August 2006 bis 31. Juli 2008 die Vorschriften der Gleitzonenregelung anzuwenden sowie die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge in Höhe von € 1.759,13.

Die am … 1987 geborene Klägerin nahm am 01. August 2005 eine bis zum 31. Juli 2008 noch andauernde Ausbildung als Friseurin bei der Beigeladenen zu 4) bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden auf. Als monatliche Ausbildungsvergütung erhielt die Klägerin im ersten Ausbildungsjahr (bis 31. Juli 2006) € 396,00, anschließend im zweiten Ausbildungsjahr bis 30. September 2007 € 420,00, ab 01. Oktober 2007 € 430,00 und im dritten Ausbildungsjahr (ab 01. August 2007) bis 31. Juli 2008 € 520,00. Im Dezember 2007 hat die Klägerin eine Einmalzahlung von € 104,00 erhalten. Aus der Ausbildungsvergütung errechnete die Beklagte jeweils den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (Krankenversicherung [KV], Pflegeversicherung [PV], Arbeitslosenversicherung [AV] und Rentenversicherung [RV]).

Die Beigeladene zu 4) führte ab Beginn des Ausbildungsverhältnisses folgende Gesamtsozialversicherungsbeiträge an die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet), bei der die Klägerin krankenversichert war und ist, als Einzugsstelle ab:

01. August bis 31. Dezember 2005

 € 162,36

01. Januar bis 31. Juli 2006

 € 170,48

01. August bis 31. Oktober 2006

 € 180,81

01. November bis 30. November 2006

 € 185,15

01. Dezember bis 31. Dezember 2006

 € 178,27

01. Januar 31. Juli 2007

 € 176,55

01. August bis 30. September 2007

 € 222,30

01. Oktober bis 30. November 2007

 € 215,70

01. Dezember bis 31. Dezember 2007

 € 257,30

01. Januar 2008 bis dauernd

 € 212,06

Dem lagen folgende Beitragssätze zugrunde:

01. August 2005 bis 31. Dezember 2006

KV: 12,4%+0,9%; PV: 1,7%; AV: 6,50%;RV: 19,5%

01. Januar 2007 bis 31. Juli 2007

KV: 13,1%+0,9%; PV: 1,7%; AV: 4,20%;RV: 19,9%

01. August bis 30. September 2007

KV: 14,8%+0,9%; PV: 1,7%; AV: 4,20% RV: 19,9%

01. Oktober bis 31. Dezember 2007

KV: 13,3%+0,9%; PV: 1,7%; AV: 4,20% RV: 19,9%

01. Januar 2008 bis dauernd

KV: 13,8%+0,9%; PV: 1,7%; AV: 3,30% RV: 19,9%

Zu Beginn des Ausbildungsverhältnisses wandte sich die Klägerin an die Beklagte und bat um Auskünfte zur Berechnung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages. Sie machte geltend, für die Ausbildungsvergütung im ersten Lehrjahr seien keine Beiträge zu erheben, die Beiträge für die Ausbildungsvergütung im zweiten Lehrjahr seien entsprechend den Bestimmungen zur sog. Gleitzonenregelung niedriger festzusetzen.

Mit Bescheid vom 20. Januar 2006 lehnte die Beklagte eine andere Berechnung der Beiträge ab. Beiträge seien nach den beitragspflichtigen Einnahmen zur ermitteln und von den versicherungspflichtig Beschäftigten und den Arbeitgebern jeweils zur Hälfte zu tragen. Die besondere Regelung zur Gleitzone gelte nicht für Personen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt seien. Die Sozialversicherungsbeiträge würden zutreffend erhoben. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (GG), dass versicherungspflichtig Beschäftigte wegen ihres Status ungleich behandelt werden. Der sog. Generationenvertrag führe für sie nur zu einer Grundrente und sie beantrage auch eine Befreiung von der Beitragspflicht zur AV.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2006 (der Klägerin am 20. April 2006 zugestellt) wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Sie sei seit dem 01. August 2005 als Auszubildende bei der Beigeladenen zu 4) beschäftigt und in dieser Beschäftigung in allen Bereichen der Sozialversicherung versicherungspflichtig. Die Beiträge seien ausgehend von den beitr...

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