Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündbarkeit betagter Altmieter durch einen rechtlich unerfahrenen Wohnungserwerber aus der ehemaligen DDR

 

Orientierungssatz

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Der Erwerber einer Mietwohnung, in der sich ein älterer Mieter befindet, muß sich darüber im klaren sein, daß das deutsche Recht ein soziales Mietrecht ist, und gerade ältere Menschen nicht ohne weiteres aus einer Wohnung gekündigt werden können. Dies gilt auch für einen Erwerber, dem die rechtliche Situation nach der Wende neu war.

 

Gründe

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Es wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Des weiteren sei noch ausgeführt, daß das Vorbringen der Klägerseite im Berufungsverfahren keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung rechtfertigt.Die Kläger seien vielmehr darauf hingewiesen, daß sie selbst es waren, die die Situation verursacht haben, in der sie sich jetzt befinden. Beim Erwerb des streitgegenständlichen Mietobjektes war ihnen bewußt, daß sich darin zwei ältere Mieterinnen befanden.Sie hätten sich darüber im klaren sein müssen, daß das deutsche Recht ein soziales Mietrecht ist und gerade ältere Menschen nicht ohne weiteres aus einer Wohnung herausgekündigt werden können, sondern daß hier gemäß der Vorschrift des § 564 b Abs. 1 BGB ein besonderer sozialer Schutz besteht, weil gerade bei älteren Menschen ein Wohnungswechsel eine besondere Härte darstellen kann. Es konnte 1992 sicherlich von den Klägern nicht verlangt werden, daß sie ohne weiteres einen Überblick über die rechtliche Situation hatten. Jedoch konnten sie angesichts ihrer Kenntnis über die bestehenden Mietverhältnisse besondere Sorgfalt und Vorsicht walten lassen und hätten sich ggf. über die rechtliche Situation, die für sie nach der Wende neu war, informieren müssen.Sofern die Beklagte irgendwann einmal geäußert haben mag, sie werde in Zukunft ausziehen, so ist dies eine Erklärung, aus der kein besonderer Rechtsbindungswille der Beklagten hergeleitet werden kann. Gerade bei älteren Menschen muß damit gerechnet werden, daß sie, um das Mietverhältnis nicht unnötig zu belasten, sich durchaus mit dem Auszug einverstanden erklären, sich dann aber schwertun, die Wohnung zu wechseln. Außerdem hatte die Beklagte kein konkretes Auszugsdatum genannt, was schon für die Unverbindlichkeit der Erklärung spricht. Es ist eine allgemeine psychologische Tatsache, daß ältere Menschen, insbesondere jene über 80, entweder nicht mehr die geistige oder die seelische Flexibilität besitzen, aus einer Wohnung auszuziehen, in der sie seit fast einem Vierteljahrhundert wohnen. Im übrigen ist den Klägern anheimgestellt, sofern ihre Wohnung nach wie vor noch gewisse Unzulänglichkeiten bietet, hier zu investieren und Abhilfe zu schaffen.Dies ist ihnen um so mehr zumutbar als sie - wie bereits ausgeführt - die Situation bei ihrem Einzug in der Wohnung kannten. Nicht gefolgt werden kann den Klägern auch in ihrer Argumentation, daß dem gemeinsamen Kind infolge dessen beengten Wohnens ein psychischer Schaden entstehen könnte. Wäre das richtig, so müßten sämtliche Angehörigen der Kriegs- und Nachkriegsgeneration, die unter noch ärmlicheren Verhältnissen als das Kind der Kläger aufgewachsen sind, als Dauerbehandlungspatienten für Psychotherapeuten einzustufen sein. Daß dem nicht so ist, ist eine allgemein bekannte Tatsache und bedarf daher keines Beweises. Es fehlt zudem der Vortrag, wie konkret die psychische Gefährdung oder Beeinträchtigung sich auswirken soll.

So wie für die Kläger die Fortsetzung des Mietverhältnisses zumutbar ist, so wäre für die alte und gebrechliche Beklagte die Beendigung des Mietverhältnisses unzumutbar. Die besondere Schutzbedürftigkeit älterer Menschen, insbesondere wenn sie krank und gebrechlich sind, ist in der Rechtsprechung anerkannt. So hat das LG Berlin entschieden, daß dem Räumungsinteresse des Vermieters der Vorrang zu geben ist, wenn sich bei einer Räumungsklage wegen Eigenbedarfs die Interessen des Vermieters und die Härtegründe des Mieters gleichwertig gegenüberstehen. Das Landgericht hat im entschiedenen Fall, der in MDR 1991, S. 59 (= WM 1990, 504) abgedruckt ist, den Interessen des Klägers als Vermieter aus Alters- und Gesundheitsgründen Vorrang gegeben. In einem ähnlich gelagerten Fall hat das LG Bonn (NJW-RR 1990, S. 973 (= WM 1990, 151)) entschieden. Danach kann eine Kündigung trotz des berechtigten Eigenbedarfs unwirksam sein, weil für die hochbetagte, seit 50 Jahren die Wohnung bewohnende Mieterin die Kündigung eine Härte darstellt. Diese Linie setzt sich fort in der Entscheidung des AG Landau, abgedruckt in NJW 1993, S. 2249: Für einen schwer herzkranken 79 Jahre alten Mieter kann gemäß der genannten Entscheidung die Beendigung seines seit 35 Jahren bestehenden Mietverhältnisses eine solche Härte bedeuten, daß der Vermieter, der die Wohnung für seinen Sohn und dessen Familie benötigt, zur...

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