rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfüllung der Voraussetzungen des § 133 Abs.1 S. 2 InsO bei Zahlung auf eine Forderung in drei Raten an den Gerichtsvollzieher

 

Leitsatz (amtlich)

Der Umstand, dass ein später insolvent gewordener Schuldner auf einen rechtskräftigen Titel nicht sofort gezahlt, sondern die Forderung in drei Raten an den Gerichtsvollzieher beglichen hat, genügt für sich genommen regelmäßig nicht den Voraussetzungen des § 133 Abs.1 Satz 2 InsO. Denn einen Erfahrungssatz dahingehend, dass einem Schuldner, der eine Forderung in drei Raten an den Gerichtsvollzieher zahlt, die Zahlungsunfähigkeit droht, gibt es nicht. Vielmehr sind für eine Gesamtbetrachtung weitere tatsächliche Umstände erforderlich, um von einer Kenntnis des Gläubigers i.S.d. § 133 Abs.1 Satz 2 InsO ausgehen zu können.

 

Normenkette

InsO § 133 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Urteil vom 10.11.2011; Aktenzeichen 5 C 3508/11)

BGH (Urteil vom 10.12.2009; Aktenzeichen IX ZR 128/08)

BGH (Urteil vom 13.08.2009; Aktenzeichen IX ZR 159/06)

BGH (Urteil vom 27.05.2008; Aktenzeichen IX ZR 169/02)

BGH (Urteil vom 24.05.2007; Aktenzeichen IX ZR 97/06)

BGH (Urteil vom 13.05.2004; Aktenzeichen IX ZR 190/03)

BGH (Urteil vom 17.07.2003; Aktenzeichen IX ZR 215/02)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 10.11.2011 (Aktenzeichen 5 C 3508/11) a b g e ä n d e r t :

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.243,00 EUR.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen des S. (Schuldner) nach Insolvenzanfechtung eine Forderung gegen die Beklagte, eine ehemalige Gläubigerin des Schuldners S., geltend. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte im Sinne des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im Zeitpunkt der Begleichung der offenen Forderung drohte und dass diese Zahlung an sie Gläubiger benachteiligte.

Die Beklagte machte gegen den Schuldner eine durch Vollstreckungsbescheid vom 14.03.2006 titulierte Forderung über 1.243,00 EUR geltend, die der Schuldner als kongruente Deckung für erhaltene Leistungen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung an den Gerichtsvollzieher in drei Raten beglich und zwar am 30.06.2006 350,00 EUR, am 13.12.2006 150,00 EUR und am 12.03.2007 743,00 EUR. Der Schuldner hatte zum Zeitpunkt der Zahlungen erhebliche weitere Schulden, die er – jedenfalls nicht ohne Weiteres – bedienen konnte. Davon wusste die Beklagte jedoch nichts. Am 18.08.2008 stellte der Schuldner einen Antrag auf Eröffnung der Verbraucherinsolvenz.

Das Amtsgericht hat im Wege des angefochtenen Urteils der Klage stattgegeben. Auf die tatsächlichen Feststellungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen. Auf die Darstellung des Berufungsvorbringens wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a, 542, 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung ist zulässig. Die Beklagte hat zwar den als Berufungsbegründung bezeichneten Schriftsatz erst nach Ablauf der (verlängerten) Berufungsbegründungsfrist eingereicht. Sie hat aber bereits in dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist einen Berufungsantrag angekündigt und diesen – wenn auch nur kurz – begründet. Mit dieser Begründung hat sie das Berufungsanliegen i.S.d. § 520 Abs.3 ZPO hinreichend deutlich gemacht. Ob der Vortrag in der eigentlichen Berufungsbegründungsschrift vom Gericht zu berücksichtigen ist, ist keine Frage der Zulässigkeit der Berufung. In diesem Schriftsatz macht die Beklagte im Wesentlichen Rechtsausführungen. Für diese sieht das Gesetz keine Frist vor, sie sind vom Gericht jederzeit zu berücksichtigen. Daher stellt sich allenfalls die Frage, ob Tatsachenvortrag aus dem zweiten Berufungsbegründungsschriftsatz als verspätet zurückzuweisen wäre. Für die Kammer spricht Vieles dafür, dass die Voraussetzungen der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorliegen und zudem der Vortrag nicht nach §§ 529 ff. ZPO zurückzuweisen wäre. Darauf kommt es jedoch letztlich nicht an, weil die Klage – auch ohne Berücksichtigung dieses Vortrags – abzuweisen ist.

III.

Die Berufung hat in der Sache Erfolg.

1.

Die tatsächlichen Voraussetzungen der von dem Kläger geltend gemachten vorsätzlichen Benachteiligung im Sinne des § 133 InsO liegen nicht vor. Es ist tatsächlich unstreitig und rechtlich zwischen den Parteien nicht umstritten, dass mit der Zahlung des Schuldners an den Gerichtsvollzieher eine Rechtshandlung im Sinne des § 133 InsO vorliegt (vgl. BGH Urteile vom 27.05.2003, IX ZR 169/02 und vom 10.12.2009, IX ZR 128/08), dass die 10-Jahres-Frist eingehalten ist und der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners anzunehmen ist. Der Kläger konnte jedoch nicht dartun, dass die Beklagte diesen Benachteiligungsvorsatz im Sinne von § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO kannte.

2.

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