Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitverschulden einer Schwimmerin an ihrer von einer Springerin verursachten Verletzung. Umfang der Obhutspflicht in einem Hallenbad bezüglich des Sprungturmbereichs

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Schwimmerin, die unbekümmert in den Gefahrenbereich in der Nähe des Sprungbretts hineingeschwommen ist, obwohl sie ohne weiteres eine auf dem Sprungbrett befindliche, sprungbereite Schwimmerin hätte bemerken und sodann den Gefahrenbereich hätte umschwimmen können, haftet für ihre - von der ins Wasser springenden Benutzerin herbeigeführten - von ihr mitverursachte Körperverletzung in Höhe eines Drittels.

 

Orientierungssatz

Die örtlichen Verhältnisse eines städtischen Hallenbades können die ständige Anwesenheit eines Bademeisters in Nähe des - zum Springen freigegebenen - 3 m-Turms in der Weise erforderlich machen, daß er das Verhalten der zum Sprung sich anschickenden und der im Sprungbereich oder in seiner Nähe befindlichen Schwimmer verfolgt, und zwar von einem Platz aus, der rasches Eingreifen, insbesondere durch Zuruf oder durch andere akustische Mittel ermöglicht.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Schorndorf vom 2.12.1965 -- 2 C 38/65 -- abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 428,85 DM nebst 4 % Zinsen seit 28.1.1965 zu bezahlen.

Die Kosten beider Rechtszüge haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

 

Tatbestand

Die Klägerin (Berufungsklägerin) besuchte am Sonntag, den 24.5.1964, morgens gegen 8.45 Uhr das Hallenbad der Stadt Sch. An der Breitseite des für Schwimmer abgetrennten Teils des 8 m breiten und 25 m langen Schwimmbeckens des Bades befindet sich u.a. ein 3 m-Sprungturm. Bei einem Sprung von diesem 3 m-Sprungturm verletzte die damals 23 Jahre alte E E die Klägerin. Die Klägerin wurde von der mit den Füßen vorausspringenden E an Kopf und Schultern getroffen und mußte sich wegen der erlittenen Verletzungen (Schulterhalsbruch, Gehirnerschütterung, Kopfhämatom, Kontusion des linken Schultergelenkes) in ärztliche Behandlung begeben.

Für das Hallenbad hat die Stadt Sch am 9.7.1964 eine Badeordnung erlassen. Zur Zeit des Unfalls war eine solche noch nicht vorhanden.

Die Klägerin macht mit der Klage Kosten geltend, die ihr infolge der ärztlichen Behandlung und ihrer teilweisen Arbeitsunfähigkeit entstanden sind.

Vor dem Amtsgericht hat die Klägerin vorgetragen:

In dem Schwimmbecken sei an jenem Sonntagmorgen reger Betrieb gewesen. Sie sei vor dem Unfall etwa 15 Minuten geschwommen, ohne daß jemand von dem 3 m-Sprungturm gesprungen sei. Während dieser Zeit sei weder ein Hinweis auf die Freigabe des Sprungturmes noch eine Warnung an die Badegäste durch die vorhandene Lautsprecheranlage durchgegeben worden. Der Unfall sei passiert, als sie zum letzten Mal die Länge des Schwimmbeckens habe durchschwimmen wollen, um dann das Becken über die Staffelleiter neben dem Sprungturm zu verlassen. Um diese Staffelleiter zu erreichen, sei sie gezwungen gewesen, den Sprungbereich des Sprungturmes zu passieren.

Der Sprungbetrieb sei nicht geregelt und überwacht worden. Der Beklagte Ziff. 2, der während der Badezeit der Klägerin nicht zu sehen gewesen sei, habe seine Aufgaben vernachlässigt. Die Beaufsichtigung des Sprungbetriebes sei zumindest mangelhaft gewesen. Eine Aufsichtsperson hätte die gefährliche Situation vor dem Unfall, als sie in der Nähe des Sprungturmes geschwommen sei, erkennen und rechtzeitig warnen können. Der Unfall sei daher die Folge des schuldhaften Fehlverhaltens des Beklagten Ziff. 2. Dieser habe nach dem Unfall sein Verschulden praktisch auch zugegeben, als er der Klägerin den Vorschlag gemacht habe, die Sache privat zu regeln, damit er mit der Stadtverwaltung keine Scherereien bekomme.

Die Beklagte Ziff. 1 habe für das Verschulden ihres Bademeisters einzustehen. Die Stadt Sch müsse sich aber auch einen Organisationsmangel bei dem Betrieb der Badeanstalt vorwerfen lassen. Sie habe zur Zeit des Unfalls noch keine Regelung des Badebetriebes getroffen gehabt. Da es sich um ein kleines Bad handle, hätte eine solche besonders für das Nebeneinander von Schwimm- und Sprungbetrieb getroffen werden müssen. Die beiden Bademeister seien also offensichtlich von dem verantwortlichen Organ der Stadt Sch nicht auf ihre Pflichten hingewiesen worden. Aber selbst wenn die Beklagte Ziff. 1 den Bademeistern Anweisungen für die Durchführung des Sprungbetriebes gegeben hätte, habe sie doch deren Ausführung nicht überwacht.

Infolge der ärztlichen Behandlung habe sie folgende Kosten gehabt:

Für ärztliche Behandlung

140,-- DM,

für ärztlich angeordnete Unterwassermassagen

180,-- DM

und für Arzneimittel

108,85 DM.

Außerdem habe sie für eine Hausschwester

130,-- DM

und für eine zusätzliche Haushaltshilfe

150,-- DM

aufgewandt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 428,85 DM nebst 4% Zinsen hieraus seit 28.1.1965 zu verurteilen.

Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten und haben vorgetrage...

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