Entscheidungsstichwort (Thema)

Qualifizierung eines faktischen Geschäftsführers einer Handelsgesellschaft mit beschränkter Haftung trotz mangelnder Gesellschafterbestellung aufgrund eigener Betitelung als "Verkaufsdirektor" und "Ansprechpartner". Anforderungen an den Haftungsausschluss des Geschäftsführers nach Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung in Bezug auf die Erkennbarkeit und ordentliche Sorgfalt des Kaufmannsverhaltens

 

Normenkette

GmbHG § 46 Nr. 5, § 64 Sätze 1, 3

 

Verfahrensgang

BGH (Urteil vom 11.07.2005; Aktenzeichen II ZR 235/03)

 

Tenor

Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 16.059,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 18. Mai 2010 zu zahlen.

Den Beklagten wird weiter vorbehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse ihre Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtstreits als Gesamtschuldner.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der im Jahre 1996 gegründeten Schuldnerin, der Exxx Handelsgesellschaft mbH mit Sitz in Stade, die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung in Höhe von 16.059,10 EUR in Anspruch.

Der Beklagte zu 1.) ist seit dem 15.10.2002 Geschäftsführer der Schuldnerin. Der Beklagte zu 2.) war bei der Schuldnerin mit einem Monatsgehalt von 650,00 EUR brutto beschäftigt. Er wurde zudem als ihr Subunternehmer tätig.

Gemäß den Gewinn- und Verlustrechnungen aus den Jahresabschlüssen 2006 bis 2008 bzw. der betriebswirtschaftlichen Auswertung Juni 2009 betrug der Verlust im Jahre 2006 8.001,84 EUR, 2007 13.696,87 EUR, 2008 6.152,10 EUR sowie bis Juni 2009 16.845,09 EUR. Der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin wurde spätestens Ende 2008 endgültig stillgelegt. Bis dahin wurden noch kleinere Restaufträge abgearbeitet. Der Umsatz im Jahr 2008 betrug 20.558,82 EUR, danach wurde bis Juni 2009 kein Umsatz mehr erwirtschaftet.

Am 06.02.2009 zahlte die Schuldnerin an den Beklagten zu 2) einen Betrag von 12.000,00 EUR für Subunternehmerleistungen zum Bauvorhaben xxx aus, nachdem die Bauherrin auf die Rechnung vom 10.12.2008 15.470,00 EUR am 30.01.2009 in die Barkasse der Schuldnerin eingezahlt hatte.

Der Kläger macht geltend, die Schuldnerin sei spätestens Ende 2008 überschuldet gewesen und habe gleichwohl noch fünf Monatsgehälter an den Beklagten zu 2.) in Höhe von insgesamt 2.659,10 EUR (5 × 531,82 EUR netto) geleistet.

Frau xxx hatte der Schuldnerin mit Vertrag vom 25.10.2005 eine Eigentumswohnung zur Büronutzung in Lübeck / Travemünde vermietet. Gem. Mietaufhebungsvertrag vom 14.01.2009 bestand ein Rückstand von 17.260,00 EUR. Unter Abzug der Miete für Januar 2009 in Höhe von 1.235,00 EUR und der Mietsicherheit von 3.030,00 EUR ergeben sich damit zum Jahresende 2008 Mietschulden in Höhe von 12.995,00 EUR, die ebenso wenig wie die Verbindlichkeit von 12.000,00 EUR gegenüber dem Beklagten zu 2.) in der Handelsbilanz zum 31.12.2008 aufgeführt sind.

Am 29.05.2009 zahlte die Schuldnerin 1.400,00 EUR auf rückständige Mieten für ihre Betriebsräume in Stade an die Firma xxx GmbH als Vermieterin.

Die geltend gemachte Klagforderung von 16.059,10 EUR setzt sich zusammen aus den Zahlungen an den Beklagten zu 2.) über 12.000,00 EUR und 2.659,10 EUR sowie weiterhin der Zahlung an die Firma xxx GmbH über 1.400,00 EUR.

Der Kläger nimmt den Beklagten zu 2.) als vermeintlich faktischen Geschäftsführer in Anspruch, wegen der Zahlung von 12.000,00 EUR weiterhin unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung aus § 133 Abs. 1 InsO.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten zu 1.) und 2.) als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihm einen Betrag von 16.059,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Den Beklagten bleibt vorbehalten, einen Gegenanspruch, der sich aus der Zahlung der beantragten 16.059,10 EUR nebst Zinsen ergibt, nach Bezahlung an den Kläger im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Exxx Handelsgesellschaft mbH, Stade (Amtsgericht Stade – 71 IN 83/09) zur Insolvenztabelle anzumelden.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten eine rechnerische Überschuldung zum Ende des Geschäftsjahres 2008 bzw. zum Zeitpunkt der Auszahlungen im Feb. 2009.

Bei den Verbindlichkeiten laut der Handelsbilanz auf den 31.12.2008 sei eine Forderung der Steuerberatungsgesellschaft von 4.231,13 EUR enthalten, die nicht ernsthaft eingefordert worden sei und nicht in der Insolvenztabelle gelistet sei.

Weiter macht der Beklagte zu 2) geltend, lediglich als Arbeitnehmer bei der Schuldnerin beschäftigt gewesen zu sein. Einziger Geschäftsführer sei der Beklagte zu 1.) gewesen. Er sei nicht als faktischer G...

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