Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer Abtretung im Verkehrsunfallrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Wirksamkeit einer Abtretung, mit der sich ein Kfz-Sachverständigenbüro von einem Unfallgeschädigten sämtliche aus einem Verkehrsunfall resultierenden Schadensersatzansprüche der Höhe nach beschränkt auf die in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten abtreten lässt.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 140, 157, 305, 305c Abs. 2, § 306 Abs. 2, § 398; RDG § 2 Abs. 1, §§ 3, 5 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Saarlouis (Urteil vom 19.05.2010; Aktenzeichen 26 C 372/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 07.06.2011; Aktenzeichen VI ZR 260/10)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarlouis vom 19. Mai 2010 – 26 C 372/10 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin, ein Kfz-Sachverständigenbüro, macht aus abgetretenem Recht Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am … auf der A. in Höhe … ereignet hat und für den die beklagte Haftpflichtversicherung einstandspflichtig ist.

Der unfallgeschädigte Herr … beauftragte die Klägerin mit der Erstellung eines Kfz-Schadensgutachtens. In diesem Zusammenhang unterzeichnete er die folgende, von der Klägerin gestellte Erklärung:

„Aus Anlass des oben beschriebenen Schadenfalles habe ich das o. g. Kfz-Sachverständigenbüro beauftragt, ein Gutachten zur Schadenhöhe zu erstellen.

Ich trete hiermit meine Schadenersatzansprüche aus dem genannten Unfall erfüllungshalber gegen den Fahrer, den Halter und den Versicherer des unfallbeteiligten Fahrzeuges in Höhe der Gutachterkosten einschließlich Mehrwertsteuer unwiderruflich an das Kfz-Sachverständigenbüro ab.

Hiermit weise ich den regulierungspflichtigen Versicherer an, die Sachverständigenkosten unmittelbar an das von mir beauftragte Sachverständigenbüro zu zahlen.

Das Kfz-Sachverständigenbüro ist berechtigt, diese Abtretung den Anspruchsgegnern offen zu legen und die erfüllungshalber abgetretenen Ansprüche gegenüber den Anspruchsgegnern im eigenen Namen geltend zu machen. Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des Kfz-Sachverständigenbüros aus dem Sachverständigenvertrag gegen mich nicht berührt. Er kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet.”

Die Klägerin begehrt Ersatz des von ihr in Rechnung gestellten Sachverständigenhonorars in Höhe des nicht regulierten Teilbetrags von 731,32 EUR.

Erstinstanzlich hat sie beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 731,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10. Dezember 2009 zu zahlen,
  2. die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von netto 101,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 19. Januar 2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Sachverständigenkosten für überhöht und meint, die Abtretung verstoße gegen das Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen – Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG).

Das Erstgericht, auf dessen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Abtretung sei unwirksam, da sie gegen §§ 3, 5 Abs. 1 RDG verstoße. Die Geltendmachung des Anspruchs auf Ersatz von Sachverständigenkosten stelle eine erlaubnispflichtige Inkassotätigkeit dar, wenn die Abtretung – wie hier – nicht bloß sicherungshalber erfolge.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin den erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch in vollem Umfang weiter.

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung. Sie macht ferner geltend, die Abtretung sei nicht hinreichend bestimmt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte, mithin zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Im Ergebnis zu Recht ist das Erstgericht davon ausgegangen, dass die der Klage zugrundeliegende Abtretung des Schadensersatzanspruchs des Unfallgeschädigten gegen die Beklagte unwirksam ist.

1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Beklagte mit der Geltendmachung von Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Abtretung nicht bereits durch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ausgeschlossen. Zwar kann die Erbringung einer Teilzahlung auf eine Forderung im Einzelfall als bestätigendes Schuldanerkenntnis der beglichenen Forderung zu werten sein (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1995 – X ZR 42/93, WM 1995, 1886 ff.; BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 – VII ZR 165/05, NJW-RR 2007, 530). Indes gibt es keine allgemeine Vermutung für die Abgabe eines Anerkenntnisses. Die Wertung einer rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Erklärung als Anerkenntnis setzt vielmehr in der Regel eine Interessenlage voraus, die zur Abgabe eines Anerkenntnisses Anlass gibt. Eine solche Interessenlage kann namentlich dar...

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