Leitsatz (amtlich)

›1. Ein als leicht einzustufender Fahrfehler stellt noch keinen Verstoß gegen die einem Seifenkistenrennfahrer obliegenden Sorgfaltspflichten dar.

2. Der Veranstalter eines Seifenkistenrennens, bei dem Fahrzeuge jeglicher Bauart ohne Gewichtsbeschränkung teilnehmen dürfen, muss auch dafür Sorge tragen, dass die Zuschauer, die sich an einem gerade verlaufenden Teil der Rennstrecke aufhalten, nicht durch von der Fahrbahn abkommende Fahrzeuge gefährdet werden‹

 

Verfahrensgang

AG Lahr (Aktenzeichen 5 C 202/03)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schmerzensgeld und Schadensersatz aus einem Unfall bei einem Seifenkistenrennen.

Der Beklagte Ziffer 2, ein Musikverein, veranstaltete am 17.05.2003 ein Seifenkistenrennen. Teilnehmer über 18 Jahre fuhren dabei in einer offenen Rennklasse, in der - ohne Gewichtsbeschränkungen - alle Bauarten zugelassen waren. Die Seifenkisten durften von mehreren Personen für das Rennen benutzt werden. Vor dem Start wurden die Seifenkisten einer optische Prüfung unterzogen. Auf der ca. 450 Meter langen, ein Gefälle von bis zu 8,6 Prozent aufweisenden Rennstrecke, konnten die Fahrzeuge Geschwindigkeiten von mehr als 60 km/h erreichen. Die Rennstrecke war durch Strohballen abgesichert, die aneinandergesetzt, aber nicht miteinander befestigt waren. Im Bereich der Unfallstelle, die sich auf gerader Strecke vor einer nachfolgenden Rechtskurve befand, waren Strohballen mit einer Größe von 1m x 0,5 m x o,4 m aneinandergereiht. Im nachfolgenden Kurvenbereich erfolgte die Sicherung durch größere Strohballen mit einer Größe von 2,2 m x 1,2 m x 0,5 m. Die straßenverkehrsrechtliche Erlaubnisverfügung enthielt keine Auflagen zu einer Sicherung der Rennstrecke.

Der volljährige Beklagte Ziffer 1 nahm mit einer einem Dritten gehörenden, aus massiven Eisenteilen konstruierten Seifenkiste, die ein Leergewicht von ca. 100 kg hatte, am Rennen teil. Ca. 66 m vor dem Ziel kam er während seiner dritten Fahrt auf gerader Strecke von der Fahrbahn ab, durchbrach die auf der linken Fahrbahnseite befindliche Absperrung aus Strohballen und kollidierte mit mehreren Zuschauern. Der Kläger, der ein Eintrittsentgeld bezahlt hatte und sich unter diesen Zuschauern befand, erlitt hierbei einen Wadenbeinbruch, der stationär behandelt werden musste.

Ein technischer Defekt der Seifenkiste schied als Unfallursache aus. Möglicherweise kam der Beklagte Ziffer 1 wegen Luftdruckunterschieden an der Bereifung oder wegen eines leichten Fahrfehlers von der Fahrbahn ab.

Das Amtsgericht Lahr hatte die Klage mit Urteil vom 31.3.2004 abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, dem Beklagten Ziffer 1 sei ein Sorgfaltspflichtverstoß nicht nachzuweisen. Ein leichter Fahrfehler stelle bei dem Sorgfaltsmaßstab, der für Teilnehmer an einem Rennen anzuwenden sei, noch keine Sorgfaltspflichtverletzung dar. Die von dem Beklagten Ziffer 2 getroffenen Sicherheitsvorkehrungen hielt das Amtsgericht für ausreichend, da die Unfallstelle nicht gefahrenträchtig gewesen sei.

Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein, mit der er seinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld weiterverfolgte. Die Berufung hatte, was die Haftung des Veranstalters, des Beklagten Ziffer 2 betrifft, Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

I.

Von Ausführungen zu den tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Absatz 2, 313 a Absatz 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig und teilweise begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten Ziffer 2 einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 2000 EUR und einen Anspruch auf Ersatz seines materiellen Schadens in Höhe von 133,66 EUR. Gegenüber dem Beklagten Ziffer 1 bestehen jedoch weder Schmerzensgeld - noch Schadensersatzansprüche.

1. Der Kläger hat gegen den Beklagten Ziffer 1 keine Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 229 StGB, 253 Abs. 2 BGB.

Zwar wurde der Kläger durch das Verhalten des Beklagten Ziffer 1 an seinem Körper verletzt. Der Kläger konnte jedoch nicht zur Überzeugung der Kammer nachweisen, dass der Beklagte Ziffer 1 hierbei die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Bei der Prüfung dieser Sorgfalt ist ein objektiver Maßstab anzuwenden. Im Verkehr erforderlich ist derjenige Grad von Sorgfalt, der in solchen Verhältnissen und den in Betracht kommenden Personenklassen von tüchtigen, gewissenhaften Leuten für genügend erachtet wird. Der grundsätzlich anzuwendende objektive Maßstab bei der Prüfung der Sorgfalt erleidet somit eine gewisse Einschränkung in subjektiver Hinsicht, als es auf den Personenkreis der Beteiligten, also der Rennfahrer, mit ankommt. Als Maßstab für den zur Verhütung eines Schadens anzuwendenden Grad von Umsicht und Sorgfalt gelten die Anforderungen des Verkehrs. Wo die Grenze des Erlaubten bei einem Rennen liegt und wann bei einem Rennen, das zweifellos einen anderen Maßstab erfordert als ein normaler Verkehr, von haftungsbegründender Fahrlässigkeit zu sprechen ist, kann nur im Einzelfall festgestellt werden (BGHZ 5, 318 ff.). Es ist...

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