Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Minderungsrecht der Mieter bei Schimmelbildung in einer erstbezogenen Neubauwohnung

 

Orientierungssatz

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Bei Erstbezug dem Mieter übergebene allgemeine schriftliche Hinweise zum Auftreten von Feuchtigkeitserscheinungen in Neubauten begründen keine Pflicht zur übervertraglichen Heizung und Lüftung.

 

Gründe

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

1. Alleiniger Maßstab dafür, ob ein Fehler der Mietsache i.S. von § 537 Abs. 1 BGB vorliegt, ist die Tauglichkeit der Mietsache zu dem vertragsgemäßen Gebrauch. Die Mietsache muß sich folglich in einem Zustand befinden, der dem Mieter die Ausübung des vertragsgemäßen Gebrauchs ohne weiteres erlaubt. Jede negative Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Sache von der so bestimmten Sollbeschaffenheit ist ein Fehler (vgl. Staudinger/Emmerich, 12. Aufl., § 537 Rn. 2; OLG Celle WM 1985, 10f.). Die Frage, ob das Haus, in dem sich die Mietwohnung befindet, nach den zur Zeit der Errichtung gültigen öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften oder technischen Normen errichtet wurde, tritt demgegenüber zurück (LG Lübeck WM 1982, 182; LG Hannover WM 1982, 183; OLG Celle WM 1985, 9; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 22.7.1983 - 7 S 1924/83, teilweise abgedruckt in WM 1985, 20).

Nach diesen Grundsätzen ist das Vorliegen eines Fehlers der Mietsache auch im Schlafzimmer und Wohnzimmer zu bejahen. Der Sachverständige W. hat festgestellt, daß Schimmelpilzerscheinungen ... vorhanden waren ... Diese Feuchtigkeitserscheinungen schränken die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch ein, weil sie aus optischen Gründen unansehnlich wird, die Feuchtigkeit die Einrichtungsgegenstände des Mieters in Mitleidenschaft zieht und ungünstige Auswirkungen auf die Gesundheit der Bewohner nicht auszuschließen sind.

Nach den Feststellungen der Sachverständigen handelt es sich insgesamt auch um eine erhebliche Minderung der Gebrauchstauglichkeit (§ 537 Abs. 1 Satz 2 BGB).

2. Das Vorliegen von Mängeln i.S. von § 537 Abs. 1 BGB führt zu einer automatischen Minderung des Mietzinses, ohne daß es der Geltendmachung durch den Mieter bedürfte. Die Minderung tritt auch unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Vermieters ein. Hingegen scheidet eine Minderung aus, wenn der Mieter den Mangel selbst zu vertreten hat (Gedanke des § 324 Abs. 1 BGB, vgl. Staudinger/Emmerich, § 537 Rn. 10). Erst bei dieser Frage wird die beim Auftreten von Schimmelpilzerscheinungen in Mietwohnungen häufig strittige Problematik der Verursachung der Mängel bedeutsam. Schimmelpilzbefall kann nämlich seine Ursache in der Bausubstanz (z.B. bei Wärmebrücken), also im Verantwortungsbereich des Vermieters, wie auch in einer Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Belüftung und Beheizung der Wohnung durch den Mieter haben.

Der Sachverständige W. hat keine genauen Untersuchungen über die Ursachen der Feuchtigkeit angestellt und lediglich ausgeführt, daß die Stockflecken an der Außenwand des Schlafzimmers davon herrühren, daß die Bett/Schrankkombination direkt an diese Wand plaziert wurde, so daß dahinter keine Luftzirkulation stattfand. Der Sachverständige B. stellte fest, daß die Wärmedämmwerte der Außenwände die Mindestanforderungen zum Teil erheblich überschritten. Er hat weiter ausgeführt, daß davon ausgegangen werden muß, daß die austrocknende Baufeuchtigkeit des im April 1983 fertiggestellten Hauses, das die Beklagten als Erstmieter im gleichen Jahr bezogen, zu der Schimmelbildung geführt hat. Weitere Feststellungen über die genauen Ursachen der Feuchtigkeitserscheinungen konnten nicht getroffen werden. Die mangelnde Aufklärbarkeit der genauen Ursachen für die unstreitig gegebenen Mängel der Mietsache geht zu Lasten des Vermieters (LG Kiel WM 1982, 187; LG Darmstadt WM 1985, 22; LG Augsburg WM 1985, 25). Diese Beweislastverteilung ist Folge der gesetzlichen Wertung des § 537 BGB, daß der Vermieter für Mängel der Mietsache ohne Verschulden einzustehen hat und das Minderungsrecht ausnahmsweise bei einer schuldhaften Vertragspflichtverletzung durch den Mieter ausgeschlossen ist.

Keiner der Sachverständigen hat ein Fehlverhalten der Beklagten beim Heizen und Lüften der Wohnung nachweisen können. Ein Mieter darf bei Bezug einer Wohnung davon ausgehen, daß er ein normales Wohnverhalten, Lüftungsverhalten und Heizungsverhalten an den Tag legen kann. Das bedeutet unter anderem, daß er seine Möbelstücke auch an die Außenwände stellen kann, wenn wie im Schlafzimmer der streitgegenständlichen Wohnung im wesentlichen nur hier Stellflächen vorhanden sind, wie der Sachverständige W. ausgeführt hat (LG Hamburg WM 1985, 21). Ein Mieter ist nicht verpflichtet, vorhandene Feuchtigkeit, einschließlich der bei Neubauten immer auftretenden Neubaufeuchte, durch überobligatorisches Heizen und Lüften auszugleichen (vgl. LG Nürnberg-Fürth WM 1985, 20), was für ihn auch höhere Heizkosten bedingen würde. Schließlich konnte der Vermieter vor der Vermietung an die Beklagten die Wohnung sow...

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