Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschlussanfechtung

 

Leitsatz (amtlich)

Teilt ein Miteigentümer in einer WEG, in der das Kopfstimmrecht gilt, seinen Miteigentumsanteil ohne die Zustimmung der übrigen Miteigentümer auf und veräußert den neu hinzugewonnenen Anteil an einen Dritten, führt das nicht zu einer Stimmrechtsmehrung, obwohl die WEG nun aus einem Miteigentümer mehr besteht.

 

Verfahrensgang

AG Pfaffenhofen a.d. Ilm (Urteil vom 13.11.2008; Aktenzeichen 1 C 83/08 WEG)

 

Tenor

I. Das Versäumnisurteil vom 07.09.2009 bleibt aufrechterhalten.

II. Die Beklagten tragen samtverbindlich auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 4 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).

 

Entscheidungsgründe

II.

Aufgrund des zulässigen Einspruchs der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 07.09.2009 war der Prozess fortzuführen. Das Versäumnisurteil war jedoch aufrechtzuerhalten, weil die zulässige Berufung der Kläger begründet ist. Der von den Klägern angefochtene Beschluss der Eigentümerversammlung vom 27.12.2007, TOP 1, war für ungültig zu erklären.

Die Beklagten hatten für den Beschluss gestimmt, die Kläger dagegen. Damit ist die erforderliche Mehrheit nicht zustande gekommen. Denn die Stimme der Kläger ist genauso gewichtig wie die Stimmen der beiden Beklagten.

1. Laut der Teilungserklärung vom 01.07.1981 bestand die WEG ursprünglich nur aus zwei Miteigentumsanteilen (Erdgeschoss und Ober-/Dachgeschoss), wobei gemäß § 6 der Gemeinschaftsordnung das Kopfprinzip galt. Es handelte sich also um eine Zweiergemeinschaft, in der jeder der beiden Miteigentümer eine Stimme hatte. Mehr als zwei (gleichgewichtige) Stimmen waren bei dieser, durch die Teilungserklärung vorgegebenen Sachlage nicht möglich: Sollte einer der Miteigentumsanteile von mehreren Personen gehalten werden, würde das wegen § 25 II 2 WEG nicht zu einer Stimmenmehrung führen.

2. Diese Ausgangslage hat sich durch den Umstand, dass der Miteigentumsanteil für das Ober-/Dachgeschoss von dem damaligen Miteigentümer im Jahr 1990 in einen Miteigentumsanteil Obergeschoss und einen Miteigentumsanteil Dachgeschoss aufgeteilt wurde und der Dachgeschossanteil an einen Dritten veräußert wurde, nicht geändert.

a) Teilt ein Miteigentümer seinen Miteigentumsanteil ohne die Zustimmung der übrigen Miteigentümer auf und veräußert den neu gewonnenen Anteil, führt das grundsätzlich nicht zu einer Stimmrechtsmehrung, obwohl die WEG nun aus einem Miteigentümer mehr besteht (BGH NJW 1979, 870, 871; OLG Stuttgart NZM 2005, 312; Spielbauer/Then, WEG, § 25 Rz. 8 a.E.; Jennißen/Elzer, § 25 Rz. 40, 42; Palandt/Bassenge, 68. Aufl., § 25 WEG Rz. 6). Die Gegenansicht (OLG Düsseldorf NZM 2004, 234; KG NZM 2000, 671; Bärmann/Merle, WEG, 10. Aufl., § 25 Rz. 39; Kümmel, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG; 8. Aufl., § 25 Rz. 11; Riecke, in: Riecke/Schmid, WEG, 2. Aufl., § 25 Rz. 59; Staudinger/Bub, § 25 WEG Rz. 156) überzeugt nicht.

(1) Eine Stimmrechtsmehrung hätte zur Folge, dass die einseitige Aufteilung und Veräußerung eines Miteigentumsanteils durch den betreffenden Miteigentümer die übrigen Miteigentümer in ihrer Stimmmacht beschränken würde, obwohl sie der Aufteilung nicht zugestimmt haben. Einen solch wesentlichen Eingriff in das Miteigentumsrecht und den Status der übrigen Eigentümer kann ein einzelner Eigentümer jedoch nicht ohne deren Zustimmung vornehmen (BGH NJW 1979, 870, 871; Jennißen/Elzer, WEG, § 25 Rz. 40 unter Hinweis auf Art. 14 GG).

(2) Das Argument der Gegenmeinung, dass hier letztlich nichts anderes gelten könne, als in dem Fall, in dem ein Eigentümer zunächst mehrere Miteigentumsanteile hält, die er später an jeweils verschiedene Erwerber veräußert (KG NZM 2000, 671, 672; Bärmann/Merle, WEG, 10. Aufl., § 25 Rz. 39; Riecke, in: Riecke/Schmid, WEG, 2. Aufl., § 25 Rz. 59; Staudinger/Bub, § 25 WEG Rz. 156), ist nicht zwingend.

Zwar entspricht es allgemeiner Ansicht, dass in letzterem Fall jeder der Erwerber ein eigenes Kopfstimmrecht erwirbt, so dass im Ergebnis eine Stimmrechtsmehrung eintritt (OLG München NZM 2007, 45; OLG Stuttgart NJW-RR 1994, 525, 526; Spielbauer/Then, WEG, § 25 Rz. 8; Palandt/Bassenge, 68. Aufl., § 25 WEG Rz. 6).

Jedoch ist der Fall nicht mit der hier gegebenen Konstellation vergleichbar, in der ein Miteigentumsanteil erst später aufgeteilt und so nachträglich ein neuer Anteil geschaffen wird. Aus der Teilungserklärung ergibt sich nämlich, wie viele Miteigentumsanteile eine Anlage insgesamt hat. Die Miteigentümer können dem jederzeit zuverlässig entnehmen, wie viele Stimmen nach Köpfen es in der Anlage maximal geben kann, wen...

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