Verfahrensgang

AG München (Urteil vom 22.01.2010; Aktenzeichen 481 C 783/09)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil, des Amtsgerichts München vom 22.1.2010 aufgehoben.

II. Der in der Eigentümerversammlung vom 15.6.2009 unter TOP 8.3, Ziffer a), b), c) und d) gefasste Beschluss wird für ungültig erklärt.

III. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Absatz 1 Satz 1 ZPO ist eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit der Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen entbehrlich, da gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft kein Rechtsmittel zulässig ist (Thomas/Putzo, ZPO, 30. Auflage, § 540, Rdnr. 5 m.w.N.). Die Revision wurde nicht zugelassen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Wohnungseigentumssache gemäß § 43 Nr. 4 WEG handelt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung wurde gemäß §§ 517, 519 frist- und formgerecht und unter Beachtung der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Der in der Eigentümerversammlung vom 15.6.2009 zu TOP 3, Ziffer a), b), c) und d) gefasste Beschluss entspricht insgesamt nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Das klageabweisende Endurteil des Amtsgerichts war daher aufzuheben und der angefochtene Beschluss für ungültig zu erklären.

1. Der angegriffene Beschluss begegnet bereits formalen Bedenken; eine ordnungsgemäße Ladung zur Wiederholungsversammlung, in der die streitgegenständlichen Beschlüsse gefasst wurden bzw. deren Beschlussfähigkeit erscheinen zweifelhaft.

Die Verwaltung hat hier abweichend von § 25 Abs. 4 WEG in ihrer Einladung unter Berufung auf den bestandskräftigen Beschluss vom 3.6.2008 sogleich für den Fall, dass die Versammlung nicht beschlussfähig sein sollte, zu einer zweiten Eigentümerversammlung eine halbe Stunde später am gleichen Ort und mit gleicher Tagesordnung eingeladen. Eine diesbezügliche Regelung in der Gemeinschaftsordnung existiert unstreitig nicht. Die Zulässigkeit einer derartigen „Eventualeinberufung” ist umstritten und wird entsprechend kontrovers diskutiert. Zwar ist § 25 Abs. 4 WEG nach ganz h.M. abdingbar; es ist jedoch streitig, in welche Entscheidungsform eine entsprechende Regelung zu kleiden ist. Nach einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht ist es nicht zulässig, durch Eigentümerbeschluss – wie hier – die Möglichkeit zu schaffen, sogenannte Eventualeinberufungen vorzunehmen; hierfür fehle den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz. Die Verbindung beider Einberufungen widerspräche der Systematik des § 25 WEG, der ein schrittweises Vorgehen erfordert und führte zur Bedeutungslosigkeit des § 25 Abs. 3 WEG (so ausdrücklich Riecke/Schmidt, WEG, 3. Auflage, § 24, Rdnr. 65 und § 25, Rdnr. 51). Die Zulässigkeit einer Eventualeinberufung bedürfe damit einer ausdrücklichen Vereinbarung; ein gleichwohl gefasster, gesetzesändernder Mehrheitsbeschluss sei nichtig (Riecke/Schmidt, a.a.O.; Bärmann, WEG, 10. Auflage, § 25, Rdnr. 103, 104; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Auflage, § 25, Rdnr. 18; OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.5.2005, Az.: 20 W 138/04; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.8.2006; Az.: 20 W 214/06, 215/06; OLG Köln, NJW-RR 1990, 26; LG Mönchengladbach, NZM 2003, 245 unter weiterem Hinweis auf den Sinn und Zweck des § 25 Abs. 4 WEG, nach dem auch zur Teilnahme an der zweiten Versammlung gegeben werden muss). Entsprechende Vorschalt- bzw. Organisationsbeschlüsse wären damit generell unzulässig (so ausdrücklich Wenzel, ZWE 2001, 226, 236) mit der Konsequenz, dass die in der Zweitversammlung gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären sind, sofern nicht feststeht, dass der Ladungsmangel für das Beschlussergebnis nicht kausal geworden ist (Bärmann, a.a.O., Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, a.a.O.). Demgegenüber wird von einer anderen Meinung konsequent wie folgt differenziert: Falls durch Beschluss die Möglichkeit eingeführt wird, künftig generell Eventualeinberufungen durchzuführen, ist der Beschluss mangels Beschlusskompetenz nichtig. Wird dagegen lediglich für einen Einzelfall – wie hier für die nächste Eigentümerversammlung – beschlossen, dass mit der Einladung zur Eigentümerversammlung zugleich zur Eigentümerversammlung am gleichen Tag geladen werden kann, so sei dieser Beschluss nur gesetzeswidrig, damit nicht nichtig und könne mangels rechtzeitiger Anfechtung bindend werden, so dass die in der Zweitversammlung gefassten Beschlüsse unter keinem formellen Mangel leiden würden (so Spielbauer/Then, WEG, § 25, Rdnr. 25; bejahend zur Zulässigkeit der Beschlussform im Hinblick auf praktische Bedürfnisse ferner KG, WuM 2000, 503 vor der „Zitterbeschluss”-Entscheidung unter Verweis auf BayObLG, WuM 1989, 658).

Letztlich ist die zentrale Frage, ob der Gemeinschaft eine derartige Beschlusskompetenz im...

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