Leitsatz (amtlich)

1. Ob eine zweckbestimmungswidrige Nutzung von Räumen als Spielhalle (mit Internetcafe) mehr stört als eine der Zweckbestimmung entsprechende (Gaststätten-/Imbiss-) Nutzung, kann nur aufgrund einer typisierenden Betrachtung des konkreten Einzelfalls geklärt werden.

2. Bei der typisierenden Betrachtung des konkreten Einzelfalls ist der beabsichtigte zweckbestimmungswidrige Gebrauch nach seiner Art und Durchführung sowie den damit verbundenen Folgen (z.B. Besucherfrequenz, Art der Besucher, Begleitkriminalität) zu konkretisieren und auf die örtlichen Gegebenheiten (z.B. Umfeld, Charakter der Anlage und die prägenden Verhältnisse, Lage im Gebäude) und zeitlichen Verhältnisse (etwa Öffnungszeiten) zu beziehen.

3. Der Betrieb einer Spielhalle führt jedenfalls an „sensiblen Standorten” (wie allgemeines Wohngebiet mit Schule, Kindergarten, Kirche und Geschäften im näheren Umfeld) mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer intensiveren Kriminalitätsbelastung und zu einer Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls der Anwohner und stört daher regelmäßig mehr als der Betrieb einer Gaststätte oder eines Imbisses.

 

Verfahrensgang

AG München (Urteil vom 13.05.2009; Aktenzeichen 482 C 530/08 WEG)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 13.05.2009, Az. 482 C 530/08, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer I. des amtsgerichtlichen Urteils klarstellend wie folgt gefasst wird:

„I. Der Beklagten wird untersagt, die Teileigentumseinheit Nr. 4 und Nr. 11 zum Zwecke des Betriebs einer Spielhalle bzw. einer Spielhalle mit Internetcafé zu nutzen oder nutzen zu lassen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.”

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

1. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.000,00 EUR festgesetzt.

2. Der Beweisbeschluss vom 12.4.2010 wird hinsichtlich Ziffer 2 bis 6 aufgehoben.

 

Tatbestand

I.

Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 2 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist, soweit hierüber nach Erlass des Teilurteils vom 16.12.2009 noch zu befinden war, unbegründet. Auf die zutreffenden Gründe des Urteils des Amtsgerichts wird Bezug genommen. Den klagenden übrigen Eigentümern der WEG D. steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Nutzung ihrer Teileigentumseinheiten Nr. 4 und Nr. 11 zum Betrieb einer Spielhalle bzw. zum Betrieb einer Spielhalle mit Internetcafé, sei es durch sie selbst oder einen Dritten, gemäß § 1004 I BGB und § 15 III WEG zu. Nach den genannten Vorschriften steht bei einem Gebrauch des Sonder- oder Gemeinschaftseigentums, der dem Gesetz, insbesondere den Vorschriften der §§ 13, 14 WEG, den nach § 15 I WEG getroffenen Vereinbarungen oder den (wirksamen) Beschlüssen nach § 15 II WEG widerspricht, den dadurch beeinträchtigten Teileigentümern ein Abwehranspruch zu (Spielbauer/Then, Rn 18 zu § 15 WEG).

1.

Die von der Beklagten beabsichtigte Nutzung ihrer Teileigentumseinheiten zum Betrieb einer Spielhalle mit Internetcafé ist hier nicht etwa bereits deshalb ausgeschlossen, weil in der Eigentümerversammlung vom 03.04.2008 unter TOP 5 der Antrag der Beklagten auf Zustimmung zur Änderung der Nutzung der Teileigentumseinheiten Nr. 4 und Nr. 11 für den Betrieb eines Freizeitcenters/Spielhalle mit Billardcafé und Internetcafé mit Geldspielautomaten in Abweichung von der Teilungserklärung durch einstimmigen Beschluss abgelehnt wurde (Anlage K 12). Es ist nämlich schon nicht erkennbar, dass die Eigentümer über die bloße Ablehnung des Antrags der Beklagten hinaus eine bindende Regelung über die Nutzung der Teileigentumseinheiten Nr. 4 und Nr. 11 treffen wollten. Zu einer solchen Regelung, die den nach den gesetzlichen Vorschriften und den getroffenen Vereinbarungen zulässigen Gebrauch des Sondereigentums gegen den Willen des betroffenen Eigentümers einschränkt, würde den Wohnungseigentümern auch die Beschlusskompetenz fehlen, mit der Folge, dass der Beschluss nichtig wäre (vgl. Spielbauer/Then, Rn 29 zu § 23 WEG; Bärmann, 11. Aufl., Rn 139, 142 zu § 23 WEG). Aus § 15 II WEG ergibt sich insoweit nichts anderes, weil danach die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss lediglich einen nach § 14 WEG zulässigen Gebrauch konkretisieren, nicht aber erweitern oder beschränken dürfen und dies auch nur dann, wenn eine Vereinbarung nach § 15 I WEG nicht entgegensteht (Bärmann, 11. Aufl., Rn 18 und 35, 36 zu § 15 WEG).

2.

Die Nutzung der Einheiten Nr. 4 und Nr. 11 der Beklagten zum Betrieb einer Spielhalle mit Internetcafé widerspricht jedoch den in der Teilungserklärung vom 09.08.1968 (Anlage K 2) und in d...

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