Leitsatz (amtlich)

Gehen auf einem Bankkonto ausschließlich Sozialleistungen ein, die in ihrer Gesamtheit nicht die Pfändungsgrenze für Arbeitseinkommen gem. § 850c Abs. 1 ZPO übersteigen, so kann die Zwangsvollstreckung gem. § 765a ZPO eingestellt werden, obwohl der Schuldner Pfändungsschutz gem. § 55 SGB l genießt.

 

Verfahrensgang

AG Viersen (Beschluss vom 27.09.2004; Aktenzeichen 15 M 1880/04)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Viersen vom 27. September 2004 wird einstweilen eingestellt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Gläubigerin.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: 600,00 EUR

 

Tatbestand

Die Gläubigerin vollstreckt gegen die Schuldnerin aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Viersen vom 15. Januar 1996 wegen einer Hauptforderung nebst Zinsen und Kosten in Höhe von 532,97 EUR. Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht Viersen am 27. September 2004 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen, mit dem die angeblichen Forderungen und Ansprüche der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin aus den Verträgen betreffend das Konto … gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden sind.

Gegen diesen Beschluss hat die Schuldnerin Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dass die Pfändung nicht zulässig sei, weil auf dem Konto die unpfändbaren Rentenansprüche der Schuldnerin eingehen, auf denen diese dringend zum Leben angewiesen sei.

Das Amtsgericht (Rechtspfleger) hat die Beschwerde der Schuldnerin als Erinnerung aufgefasst, dieser nicht abgeholfen und die Sache dem zuständigen Abteilungsrichter vorgelegt. Dieser hat mit dem angefochtenen Beschluss die Erinnerung der Schuldnerin gegen den Pfändungs- und Uberweisungsbeschluss vom 27. September 2004 zurückgewiesen mit der Begründung, die Schuldnerin sei durch § 55 SGB ausreichend geschützt, wonach innerhalb von 7 Tagen seit der Gutschrift der Überweisung die eingehenden Renten unpfändbar seien.

Gegen diesen Beschluss hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, dass ihr Begehren als Vollstreckungsschutzantrag auszulegen sei.

Sie beantragt daher,

die Pfändung für unzulässig zu erklären.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

Das zulässige Rechtsmittel hat dahin Erfolg, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss einstweilen gemäß § 765a Abs. 1 ZPO einzustellen ist.

Nach § 765a Abs. 1 ZPO kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Diese Voraussetzungen liegen nach Auffassung der Kammer im konkreten Fall vor.

Zwar richtet sich der Pfändungsschutz bei einer Kontenpfändung wie im Entscheidungsfalle in erster Linie nach § 55 SGB l, soweit Sozialleistungen betroffen sind. Zur Vermeidung einer ganz außergewöhnlichen Härte kann dem Schuldner jedoch auch Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO gewährt werden. Dieser von einem Teil der Rechtsprechung vertretenen Meinung schließt sich die Kammer im Entscheidungsfalle an (vgl. Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 765, a Rdn. 9 m.w.N, insbesondere OLG Nürnberg in Rpfleger 2001, 361).

Die Schuldnerin hat auf Aufforderung der Kammer durch Vorlage von Kontoauszügen für den Zeitraum September 2004 bis Februar 2005 glaubhaft gemacht, dass auf das bei der Drittschuldnerin geführte Girokonto ausschließlich Zahlungen fließen, für die sie Pfändungsschutz nach § 55 SGB l beanspruchen kann. Die Schuldnerin bezieht monatlich eine Hinterbliebenenrente von der L. in Höhe von monatlich 601,30 EUR sowie eine Zusatzrente in Höhe von monatlich 118,30 EUR. Des Weiteren geht auf das Konto monatliches Pflegegeld von 68,35 EUR ein sowie von der Familienkasse K. gezahltes Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR. Die der Schuldnerin persönlich zustehenden Sozialleistungen (Renten- und Pflegegeld) belaufen sich also auf monatlich insgesamt 787,95 EUR und übersteigen damit nicht die Pfändungsgrenze für Arbeitseinkommen gemäß § 850c Abs. 1 ZPO. Hiernach ist Arbeitseinkommen unpfändbar, wenn es nicht mehr als 930,00 EUR monatlich beträgt. Unter der Voraussetzung, dass die Schuldnerin ihre Pfändungsschutzrechte nach § 55 SGB l voll ausschöpft, besteht somit bei dieser Sachlage für die Gläubigerin in absehbarer Zeit keine Aussicht, nennenswerte Beträge von dem gepfändeten Konto bei der Sparkasse Krefeld zu erlangen. Handelt es sich, wie hier, um laufende Sozialleistungen, so sind diese gemäß § 55 Abs. 4 SGB l auch über die 7-Tagesfrist hinaus dem Zugriff des Gläubigers entzogen, insoweit der Betrag dem unpfändbaren Te...

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