Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung und Räumung. sofortige Beschwerde der Beklagten Ziff. 2

 

Verfahrensgang

AG Mannheim (Beschluss vom 12.02.1992; Aktenzeichen 13 M 3/92)

AG Mannheim (Urteil vom 16.01.1992; Aktenzeichen 8 C 403/90)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten Ziff. 2. wird der Beschluß des Amtsgerichts Mannheim vom 12.02.1992 (13 M 3/92) aufgehoben.

2. Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, die Zwangsvollstreckung aus Ziff. 1 des Urteils des Amtsgerichts Mannheim vom 16.01.1992 (8 C 403/90) nur dann zu betreibe, wenn entweder die Beklagte Ziff. 2 freiwillig räumt oder wen ein Räumungstitel gegen die Beklagte Ziff. 2 vorgelegt wird.

3. Die Kosten beider Instanzen fallen den Klägern zur Last.

4. Der Beschwerdewert wird auf 2.400,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind die Nießbraucher des Hauses … in … In diesen Haus hat der Beklagte Ziff. 1 eine Wohnung gemietet, die er seit vielen Jahren zusammen mit der Beklagten Ziff. 2 – seiner Ehefrau – und seinen Kindern bewohnt. Die Kläger haben die Beklagten Ziff. 1 und 2 auf Räumung und Herausgabe in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat dem Beklagten Ziff. 1 in 16.01.1991 zur Räumung verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung des klagabweisenden Teils der Entscheidung ist in dem Urteil ausgeführt, daß die Kläger in ihrer Eigenschaft als Nießbraucher weder vertragliche noch gesetzliche Ansprüche gegen die Beklagte Ziff. 2 geltend machen könnten.

Der Gerichtsvollzieher hat Termin zur Zwangsräumung bestimmt. Dagegen hat die Beklagte Ziff. 2 Erinnerung eingelegt, mit der sie geltend macht, daß gegen sie kein Räumungstitel vorliege. Das Amtsgericht hat die Erinnerung durch Beschluß vom 12.02.1992 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Ziff. 2 form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

II. Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet.

1. Nach § 724 Abs. 1 ZPO darf die Zwangsräumung einer Wohnung nur durchgeführt werden, wenn gegen alle Bewohner mit eigenständigem Besitzrecht ein Vollstreckungstitel vorliegt. Wird eine Wohnung – wie hier – von einem Ehepaar gemeinsam genutzt und haben beide ein eigenständiges Besitzrecht an der Wohnung, so ist die Vollstreckung insgesamt unzulässig, wenn sich der Räumungstitel nur gegen einen der beiden Besitzer richtet und der andere Besitzer nicht freiwillig räumt. Die von den Klägern vertretene Auffassung, wonach in diesem Fall eine Zwangsräumung nur gegen den Beklagten Ziff. 1 möglich sein soll, trifft nicht zu. Als Besitzerin wäre die Beklagte Ziff. 2 jederzeit in der Lage, ihren Ehemann wieder in die Ehewohnung aufzunehmen.

2. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage kommt es maßgeblich darauf an, ob die Beklagte Ziff. 2 ein eigenständiges Besitzrecht an der Wohnung hat. Das Amtsgericht hat dies verneint und zur Begründung ausgeführt, daß die Beklagte Ziff. 2 ihr Besitzrecht ausschließlich vom Beklagten Ziff. 1 ableitet. Aus diesem Grunde sei die Beklagte Ziff. 2 ohne weiteres verpflichtet, die Wohnung zusammen mit dem Beklagten Ziff. 1 zu räumen.

Diese Ansicht wird auch von einem Teil der Rechtssprechung und der Literatur vertreten (z.B.: LG-Darmstadt WM 81, 113; LG Kiel, WM 82, 304; LG Berlin, WM 90, 38; Köhler, Handbuch der Wohnraummiete, § 194 Randnr. 1; Beiz in: Bub-Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, Randnr. VII 67). Dabei wird allerdings verkannt, daß es für die Eigenständigkeit des Besitzes nicht darauf ankommt, ob dieser vom dinglich Berechtigen oder vom Vermieter abgeleitet ist. Auch der Untermieter hat gegenüber dem dinglich Berechtigten oder gegenüber dem Hauptvermieter ein eigenständiges Besitzrecht, obwohl er seinen Besitz vom Mieter herleitet; dies ist allgemein anerkannt. Maßgeblich für die Annahme eines eigenständigen Besitzrechts ist in Fällen der vorliegenden Art vielmehr, ob der Benutzer der Räume eine weisungsfreie Sachherrschaft ausüben kann oder ob er die Räume nur nach den Weisungen des Mieters benutzen darf. Im erstgenannten Fall hat der Benutzer eigenständigen Besitz; im zweitgenannten Fall ist er lediglich Besitzdiener. Der Besitzdiener muß aufgrund eines gegen den Mieter gerichteten Titels räumen: der eigenständige Besitzer ist dagegen nur aufgrund eines Titels gegen ihn selbst zur Räumung verpflichtet.

3. Ob der Mitbenutzer einer Wohnung eigenständigen oder nur unselbständigen Besitz hat, richtet sich – wie allgemein – nach der Verkehrsanschauung, wobei das heutige Verständnis von der Bedeutung der Ehewohnung eine maßgebliche Rolle spielt. Insoweit ist zunächst festzustellen, daß der Gesetzgeber die jeweiligen Rechte der Ehegatten untereinander an der Ehewohnung gleich ausgestaltet hat. Dies zeigt sich insbesondere an § 1361 b BGB, wo geregelt ist, daß die Ehewohnung im Falle des Getrenntlebens nach Billigkeitsgesichtspunkten von einem der beiden Ehegatten weiter benutzt werden darf, ohne daß es darauf ankommt, wer von beiden die Wohnung angemietet hat. Vergleichbare Regelu...

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