Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufungsinstanz einer Räumungsklage nach Eigenbedarfskündigung: Austausch der Bedarfsperson und Begründetheit des Räumungsanspruchs

 

Orientierungssatz

Im Rahmen einer Räumungsklage nach einer Eigenbedarfskündigung ist der Austausch der Bedarfsperson für das Berufungsverfahren grundsätzlich zulässig. Die Räumungsklage ist aber nur dann begründet, wenn der Eigenbedarf hinsichtlich der zuerst benannten Bedarfsperson bestanden hat und auch für die zweitbenannte Person besteht.

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das am 11.4.1997 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hadamar - 3 C 112/97 - abgeändert und wie folgt neue gefaßt:

Der Beklagte wird verurteilt, das im ... Weg ..., ..., auf der rechten Seite in der 1. Etage gelegene mittlere Zimmer mit einer Größe von 12 qm zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

Der Beklagte trägt die Kosten beider Instanzen.

Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 15.9. 1998 bewilligt.

 

Gründe

Die Kläger haben den Beklagten auf Räumung des im Urteilstenor genannten Zimmers wegen Eigenbedarfs in Anspruch genommen. Zur Begründung haben sie ausgeführt, sie benötigten dieses Zimmer für ihre Tochter und deren Ehemann, welche beabsichtigen, ihre eheliche Wohnung in der 1. Etage des streitgegenständlichen Wohnhauses einzurichten.

Durch das angefochtene Urteil, auf das zur Darstellung des weiteren Sach- und Streitstandes gemäß § 543 Abs. 1 ZPO verwiesen wird, hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen, weil die Kläger für den behaupteten Eigenbedarfsgrund trotz Bestreitens der Gegenseite beweisfällig geblieben seien.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgen. Sie machen nunmehr geltend, ihre Tochter und deren Ehemann hätten zum 1.6.1997 ihre bisherige Wohnung in ... räumen müssen und seien in das Haus der Kläger eingezogen. Da dieses für insgesamt vier Personen nicht ausreiche, wollten sie, die Kläger, nunmehr selbst in die streitgegenständliche Wohnung im ... Weg ..., 1. Obergeschoß einziehen. Vorsorglich sei aus diesem Grunde erneut unter dem 3.5.1997 (Bl. 47 d.A.) gekündigt worden. Der Kläger zu 1) habe überdies einen Herzinfarkt erlitten, weshalb ihm ärztlicherseits angeraten worden sei, in ein ruhigeres Haus, nämlich das Haus ... Weg ..., zu ziehen. Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung, auch im Hinblick auf die nunmehr vorgebrachten Eigenbedarfsgründe.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ... und des Zeugen .... Wegen des Ergebnisses wird auf das Beweisaufnahmeprotokoll vom 14.4.1998 (Bl. 84 - 89 d.A.) Bezug genommen.

Die Berufung der Kläger ist statthaft und zulässig. Sie sind durch das angefochtene Urteil beschwert ungeachtet des Umstandes, daß sie nunmehr neue Eigenbedarfsgründe vorgetragen haben. Die Beschwer wäre nur dann entfallen, wenn das Rechtsmittel auf einen vollständig neuen Anspruch gestützt worden wäre (Zöller-Gummer, ZPO 20. Aufl., RZ. 8 vor § 511). Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um einen vollständig neuen Lebenssachverhalt und damit um eine vollständige Auswechselung des Streitgegenstandes, sondern die Kläger berufen sich lediglich auf eine zulässigerweise erfolgte Auswechselung des Kündigungsgrundes unter Beibehaltung der ursprünglich ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung vom 10.2. 1996 (vgl. Bub-Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 2. Aufl., Kap. IV, Rz. 92). Dies haben sie in der Berufungsbegründung ausdrücklich klargestellt.

In der Sache selbst führt das Rechtsmittel zum Erfolg, weil die Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein berechtigtes Interesse an den streitgegenständlichen Wohnräumen nachgewiesen haben (§ 564 b Abs. 1 und 2 Ziff. 2 BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Entschluß des Vermieters, ihm gehörenden Wohnraum selbst zu nutzen oder durch einen eng gezogenen Kreis bestimmter Dritter nutzen zu lassen, grundsätzlich zu akzeptieren und der Rechtsfindung zugrunde zu legen (vgl. Palandt-Putzo, 57. Aufl., Rz. 42 zu § 564 b mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Da die Kläger durch die Kündigung vom 2.10.1996 zunächst Eigenbedarf für ihre Tochter und deren Ehemann geltend machten und nunmehr selbst Eigenbedarf für die streitgegenständlichen Räume reklamieren, kam es für die Begründetheit der Räumungsklage sowohl auf die Wirksamkeit der ursprünglich erhobenen Eigenbedarfskündigung als auch der ursprünglichen Eigenbedarfskündigung nach Auswechselung des Kündigungsgrundes, weil nur in einem solchen Fall eine wirksame Auswechselung der Kündigungsgründe ohne erneute Kündigung möglich ist (Bub-Treier a.a.O.). Die Beweisaufnahme hat zunächst bestätigt, daß die Tochter der Kläger und deren Ehemann wegen des Verhaltens ihres Vermieters sich veranlaßt sahen, zum 1.6. 1997 in die Wohnung der Kläger einzuziehen. Die Zeugen ... haben insoweit übereinstimmend angegeben, ihr damaliger Vermieter ha...

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