Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachbarlicher Störungsbeseitigungsanspruch: Zumutbarer Umfang von Akkordeonspiel

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beim Betrieb von Tonwiedergabegeräten (wie zB Radio, Fernseher, Plattenspieler) ist grundsätzlich Zimmerlautstärke einzuhalten.

2. Überschritten wird die Zimmerlautstärke auch dann, wenn zwar der Fremdschall unterhalb des Grenzwertes von 40 Dezibel (tagsüber) liegt, aber nach dem Empfinden eines Durchschnittsmenschen als störend und "Auf-die-Nerven-gehend" empfunden wird.

3. Das Spielen eines Akkordeons auf Zimmerlautstärke ist praktisch nicht möglich, da dieses Instrument über keine dämpfende Vorrichtung verfügt. Eine Beschränkung des Spielens auf Zimmerlautstärke käme damit einem Verbot des Musizierens gleich. Der Nachbar hat deshalb Akkordeonspielen in der Zeit von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr und von 15.00 bis 22.00 Uhr zu dulden, dabei darf die tägliche Spieldauer jedoch insgesamt 1 1/2 Stunden nicht überschreiten.

 

Normenkette

BGB § 906 Abs. 1, § 1004

 

Verfahrensgang

AG Rheinberg (Entscheidung vom 18.01.1990; Aktenzeichen 5 C 199/89)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18. Januar 1990 verkündete Urteil des Amtsgerichts … teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen wie folgt neu gefaßt:

  1. Den Beklagten wird untersagt, in ihrem Hause … Fernseher, Radio, Plattenspieler, Tonbandgerät und sonstige Geräte, die der Schallwiedergabe dienen, sowie das Keyboard mit einer größeren Lautstärke als Zimmerlautstärke zu betreiben.
  2. Den Beklagten wird das Spielen mit dem Akkordeon in der Zeit von 22.00 Uhr abends bis 9.00 Uhr morgens und von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr untersagt. Während des Musizierens mit dem Akkordeon haben die Beklagten Fenster und Türen geschlossen zu halten. Das Musizieren mit dem Akkordeon wird auf maximal 1 1/2 Stunden täglich beschränkt.
  3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
  4. Die Kosten beider Rechtszüge werden zu 1/4 der Klägerin und zu 3/4 den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.
 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten hat nur zu einem Teil Erfolg.

Das Klagebegehren der Klägerin findet seine Grundlage in §§ 906, 1004 BGB. Gemäß § 906 I BGB kann der Eigentümer eines Grundstückes „Geräusche” als eine von einen „anderem Grundstück ausgehende Einwirkung insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt”.

Maßstab dafür, ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist, ist das Empfinden eines Durchschnittsbenutzers des betroffenen Grundstücks in seiner durch Naturgestaltung und Zweckbestimmung geprägten konkreten Beschaffenheit und nicht das subjektive Empfinden des Gestörten (Palandt, 50. Aufl., Anm. 3 b zu § 906 BGB).

Von diesen Grundsätzen ausgehend ist zwischen den Geräten, die der Tonwiedergabe dienen (Radio, Fernseher, Plattenspieler, Tonbandgeräte und ähnliche Geräte) und der Ausübung von Hausmusik mit dem Akkordeon bzw. auf dem Keyboard zu unterscheiden.

Beim Betrieb von Tonwiedergabegeräten ist grundsätzlich Zimmerlautstärke einzuhalten.

Zur Definition des Begriffs der Zimmerlautstärke ist folgendes festzustellen: Sinn und Zweck des Begriffs von der Einhaltung der Zimmerlautstärke ist es, auszuschließen, daß andere (Mitbewohner, Nachbarn usw.) durch Schall und Geräusche gestört werden. Die Zimmerlautstärke ist zweifelsfrei dann überschritten, wenn das nachbarliche Geräusch in den Räumen des Betroffenen so laut vernehmbar ist wie das eigene Gespräch, die eigene Unterhaltung, das eigene Radio, Fernseh- oder Musikprogramm. Generell kann gesagt werden, daß Lautstärken, die in der gestörten Wohnung über einem Wert von ca. 40 Phon (angenähert AO Dezibel) tagsüber und 30 Phon (angenähert 30 Dezibel) nachts liegen, stets als Überschreitung der Zimmerlautstärke anzusehen sind. Dies schließt indes nicht aus, daß auch bei einem Schallpegel unterhalb dieser Werte die Zimmerlautstärke bereits überschritten sein kann; zweifelsfrei können auch Geräusche unterhalb dieser Werte zu einer empfindlichen nicht zu duldenden Störung führen. Eingehalten ist die Zimmerlautstärke nur dann, wenn der verursachte, von dem betroffenen Mitbewohner zu hörende Fremdschall unter dem bei AO Dezibel (tagsüber) zu ziehenden Richtwert liegt und zugleich weder physiologische Wirkungen einzusetzen beginnen noch die psychologisch zu sehende Wirkung des „Auf-die-Nervengehens” sich entfaltet und auch nicht stört, überschritten ist die Zimmerlautstärke, wenn der Fremdschall zwar unterhalb des Wertes von 40 Dezibel (tagsüber) liegt, aber nach dem Empfinden eines Durchschnittsmenschen als störend und „Auf-die-Nervengehend” empfunden wird. (Zur Definition des Begriffs der Zimmerlautstärke ZV Materialien-Nr. 3. Lärmstörungen Gutachten und Lärmlexikon 5. Auflage, herausgegeben vom Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V., Cecilienallee 45, 4000 Düsseldorf 30, insbesondere Anmerkungen 4 und 16).

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