Entscheidungsstichwort (Thema)

Auseinandersetzungsguthaben darf nicht vollständig zur Masse gezogen werden bei Aufbringung einer anderweitigen Mietsicherheit nur von Sozialhilfe oder durch Verzicht auf sozialrechtlich notwendigen Lebensunterhalt. Verbot der vollständigen Zuordnung des Auseinandersetzungsguthabens zur Masse bei Aufbringung einer anderweitigen Mietsicherheit nur von Sozialhilfe oder durch Verzich auf sozialrechtlich notwendige Lebensunterhalt

 

Normenkette

InsO § 109 Abs. 1 S. 2; ZPO § 765a; GenG § 66; SGB II § 22 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Dresden (Beschluss vom 05.11.2009; Aktenzeichen 561 IK 1485/09)

LG Dresden (Entscheidung vom 29.10.2007; Aktenzeichen 5 T 497/07)

BGH (Urteil vom 10.09.2003; Aktenzeichen VIII ZR 22/03)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 02.12.2010; Aktenzeichen IX ZB 120/10)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Dresden – Insolvenzgericht – vom 5. November 2009 abgeändert. Der Insolvenzbeschlag des Anspruch der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin auf Auszahlung des genossenschaftlichen Auseinandersetzungsguthabens wird in Höhe eines erstrangigen Teilbetrags von 585 EUR aufgehoben. In dieser Höhe hat die Drittschuldnerin das Auseinandersetzungsguthaben bei Fälligkeit an die Schuldnerin auszuzahlen.

II. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

III. Die Masse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

IV. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf 585 EUR.

V. Die Rechtsbeschwerde des Treuhänders wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Schuldnerin begehrt Pfändungsschutz in Höhe der für ihre Wohnung vereinbarten Mietsicherheit.

Die Schuldnerin war Mitglied der Drittschuldnerin. Die Genossenschaftanteile sollten nach dem Dauernutzungsvertrag betreffend die von der Schuldnerin bewohnte Genossenschaftswohnung als Sicherheit für Ansprüche der Drittschuldnerin dienen. Nach Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens haben der Treuhänder die Mitgliedschaft der Schuldnerin und daraufhin die Drittschuldnerin den Dauernutzungsvertrag gekündigt. Die Drittschuldnerin hat angekündigt, das Auseinandersetzungsguthaben von nominell 1.240 EUR nach Feststellung ihres Jahresabschlusses im Frühjahr 2010 auszuzahlen. Derzeit bewohnt die Schuldnerin dieselbe Wohnung aufgrund eines im Dezember 2009 mit der Drittschuldnerin abgeschlossenen Mietvertrags. Die Mietsicherheit von 585 EUR hat sie aus einem Darlehn der SGB II- ARGE Dresden finanziert, die monatlich 25 EUR von der gewährten Hilfe zum Lebensunterhalt zur Tilgung einbehält.

Mit Beschluss vom 5. November 2009 hat das Amtsgericht den Antrag der Schuldnerin auf Pfändungsschutz zurückgewiesen. Der Beschluss wurde der Schuldnerin am 12. November 2009 zugestellt. Mit der am 26. November 2009 eingegangenen sofortigen Beschwerde verfolgt sie ihren Pfändungsschutzantrag durch analoge Anwendung von § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO, hilfsweise nach § 765a ZPO weiter.

Der Treuhänder tritt der sofortigen Beschwerde entgegen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Akteninhalt bezug genommen.

Mit Verfügung vom 10. Februar 2010 hat der Einzelrichter das Verfahren nach § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der Kammer übertragen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die nach § 793 ZPO statthafte und auch im Übrigen nach §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat mit dem Hilfsantrag Erfolg. Zwar kommt eine Analogie zu § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht in Betracht, der Schuldnerin ist aber Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu gewähren.

1.

Mit dem Hauptantrag ist die Beschwerde unbegründet. Eine Analogie zu § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO kommt schon wegen Zeitablaufs nicht mehr in Betracht. Selbst wenn § 109 InsO anwendbar und die vom Treuhänder erklärte Kündigung unwirksam wäre, wäre der Dauernutzungsvertrag zwischen der Drittschuldnerin und der Schuldnerin mittlerweile durch den geschlossenen Mietvertrag ersetzt.

Ob die Analogie aus Rechtsgründen ausscheidet, kann danach dahin stehen. Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGHZ 180, 185 unter Tz. 12, zitiert nach […]) diese von der Kammer bisher vertretene Ansicht (5 T 497/07, ZVI 2008, 493 [LG Dresden 29.10.2007 – 5 T 497/07]) verworfen, weil das Genossenschaftsmitglied sonst in der Insolvenz einem Wohnraummieter gleichgestellt sei, obwohl es in der Einzelzwangsvollstreckung wegen § 66 GenG geringeren Schutz genieße. Der Bundesgerichtshof hat allerdings nicht erläutert, warum nicht auch in der Einzelzwangsvollstreckung etwa im Hinblick auf Art. 13 Grundgesetz eine Reduktion des § 66 GenG in Betracht kommt, nach der ein Gläubiger eines Mitglieds einer Wohnungsgenossenschaft nur zur Kündigung jener Genossenschaftsanteile berechtigt wäre, die nicht zur Sicherheit im Rahmen des genossenschaftlichen Dauernutzungsvertrags verpfändet sind. Eine solche Erklärung findet sich auch nicht in der jüngsten Rechtsprechung des VII. Zivilsenats, die Pfändungsschutz bei drohender Kündigung des Dauernutzungsvertrags ablehnt (BGH MDR 2010, 49, zitiert nach […]).

2.

Pfändungsschutz ist allerdings nach den ...

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