Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahl der Steuerklasse im Insolvenzverfahren

 

Normenkette

InsO § 292 Abs. 1 S. 3, § 36 Abs. 1 S. 2, Abs. 4; ZPO § 850h

 

Verfahrensgang

AG Dortmund (Beschluss vom 19.01.2010; Aktenzeichen 258 IK 45/00)

 

Tenor

Die Beschwerde des Treuhänders vom 02.02.2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 19.01.2010 wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Mit Beschluss vom 21.05.2001 wurde das vereinfachte Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Treuhänder bestellt; nach Vollzug der Schlussverteilung wurde das Verfahren mit Beschluss vom 28.07.2003 aufgehoben, nachdem der Schuldnerin mit Beschluss vom 06.05.2003 die Restschuldbefreiung angekündigt worden war. Die Wohlverhaltensphase dauert 7 Jahre ab Aufhebung des Verfahrens.

Die Schuldnerin ist bei der Fa. T GmbH in L2 beschäftigt. Nachdem sie Anfang 2009 geheiratet hatte, wechselte sie zum 24.04.2009 von der Lohnsteuerklasse I in die Lohnsteuerklasse V, während ihr Ehemann die Steuerklasse III wählte. Die gemeinsamen steuerlichen Vorwegabzüge der Eheleute betragen damit monatlich 2.401,24 EUR im Vergleich zu monatlich 2.642,58 EUR bei Wahl der Steuerklassen IV/IV; die Jahressteuerlast der Eheleute beläuft sich in beiden Fällen auf 30.558,00 EUR. Der monatlich pfändbare Anteil vom Lohn der Schuldnerin beträgt bei Steuerklasse V nur 1.351,02 EUR gegenüber 1.870,65 EUR bei Steuerklasse IV.

Unter dem 25.06.2009 beantragte der Treuhänder daher festzustellen, dass die pfändbaren Anteile am Lohn der Schuldnerin auch ab dem 24.04.2009 so zu berechnen sind, als wäre der Lohnsteuerabzug nach der Lohnsteuerklasse IV durchzuführen, da die gewählte Steuerklasse V sich gläubigerbenachteiligend auswirke.

Die Schuldnerin beantragte die Zurückweisung dieses Antrags mit der Begründung, dass ein sachlicher Grund für die Wahl der Steuerklasse V vorliege, da ihr Ehemann mehr als das Doppelte verdiene und somit bei der Wahl der Steuerklassen III und V die monatliche Besteuerung am ehesten der zu leistenden Jahressteuer entspreche.

Mit Beschluss vom 19.01.2010 hat das Amtsgericht Dortmund den Antrag des Treuhänders mit näherer Begründung zurückgewiesen. Es ist insbesondere der Auffassung, dass die Heirat und die danach entstandene neue Einkommenssituation der Familie als sachlicher Grund für einen Wechsel der Steuerklasse zu werten seien.

Gegen diesen Beschluss hat der Treuhänder am 02.02.2010 sofortige Beschwerde eingelegt und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er weist darauf hin, dass die jährliche gemeinsame Steuerlast der Eheleute gleich hoch bleibe und lediglich die monatlichen Vorauszahlungslasten anders verteilt wären, wobei von der Schuldnerin Lohnsteuerabzugsbeträge an das Finanzamt abgeführt würden, die in der Jahresveranlagung zur Einkommenssteuer auf Einkünfte ihres Ehegatten entfielen. Den Liquiditätsvorteilen der Schuldnerin und ihres Ehemanns stünden erhebliche, nicht hinnehmbare Verluste der Gläubiger gegenüber.

Das Amtsgericht Dortmund hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Dortmund zur Entscheidung vorgelegt. Die Schuldnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde des Treuhänders ist kraft seiner Amtsstellung statthaft, da er die Entscheidung des Insolvenzgerichts für rechtlich fehlerhaft hält (vgl. Smid, InsO, 2. Aufl. 2001, § 6 Rdnr. 12) und zulässig, insbesondere gem. § 569 ZPO form- und fristgerecht erhoben.

Sie ist jedoch unbegründet, da die Entscheidung des Amtsgerichts Dortmund zu Recht ergangen ist. Der Antrag des Treuhänders auf Feststellung, dass die pfändbaren Anteile am Lohn der Schuldnerin auch ab dem 24.04.2009 so zu berechnen sind, als wäre der Lohnsteuerabzug nach der Lohnsteuerklasse IV und nicht nach der Lohnsteuerklasse V durchzuführen, war nicht gem. §§ 292 Abs. 1 S. 3, 36 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 InsO i.V.m. § 850 h Abs. 2 S. 1 ZPO analog begründet.

Zwar dient § 850 h ZPO dem Gläubigerschutz und soll verhindern, dass Schuldnereinkommen durch unlautere Manipulationen dem Gläubigerzugriff entzogen wird; auch kommt eine analoge Anwendung dieser Vorschrift in Betracht, wenn der Schuldner durch die Wahl einer für ihn ungünstigen Steuerklasse sein zur Auszahlung kommendes und der Pfändung unterliegendes Nettoeinkommen verkürzt; hierin kann ein Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit liegen und ist dann in entsprechender Anwendung von § 850 h ZPO die missbräuchliche Steuerklassenwahl zu korrigieren. Doch gilt dies – auch unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm insgesamt – nur, soweit für die Wahl der Steuerklasse kein sachlicher Grund besteht und sie missbräuchlich erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 05.10.2005, Az. VII ZB 26/05; BGH ZVI 2009, 264; OLG Köln, Beschluss vom 03.01.2000, Az. 2 W 164/99). Denn in den übrigen und vom Gesetzgeber gemeinten Fallkonstellationen des § 850 h ZPO steht stets im Raum, dass der Schuldner sein Einkommen „künstlich kleinrechnet”, z.B. durch die Art seiner Anstell...

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