Entscheidungsstichwort (Thema)

Mietvertragsrecht: Überlassung der Wohnung an Familienangehörige als Kündigungsgrund; zeitlich getrennte Kündigung gegenüber Eheleuten; nachträglicher Einzug der Ehefrau vor Beitritt der ehemaligen DDR

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Macht der Mieter die Wohnung weitgehend zugunsten des erwachsenen Sohnes und dessen Familie, die aus einer eigenen Wohnung hierher umzieht, frei, so stellt die Überlassung der Wohnung an den Sohn einen Grund zur fristlosen Kündigung dar.

2. Kündigungserklärungen, die gegenüber Eheleuten im Abstand mehrerer Monate getrennt zugehen, sind unwirksam.

3. Ein gemeinsamer Mietvertrag gemäß ZGB § 100 Abs 3 (juris: ZGB DDR) entsteht auch mit der nachträglich eingezogenen Ehefrau.

 

Normenkette

BGB §§ 549, 553, 556 Abs. 1; ZGB DDR § 100 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Guben (Urteil vom 14.04.1994; Aktenzeichen 21 C 197/93)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 14. April 1994 verkündete Urteil des Amtsgerichts Guben wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Der Streitwert beträgt für beide Instanzen DM 6.320.56.

 

Tatbestand

1975 wurde zwischen dem Beklagten und seiner damaligen Ehefrau als Mieterin und dem … als Vermieter ein schriftlicher Mietvertrag über eine Werkwohnung, … geschlossen.

1976 wurde der Beklagte geschieden und heiratete im selben Jahr seine jetzige Ehefrau. 1983 wurde diese durch den damaligen Rechtsnachfolger des Vermieters, den … als Mitmieterin in die Vertragsurkunden aufgenommen. Dies erfolgte durch Streichen des Namens der geschiedenen Frau und Ergänzung durch den Namen der jetzigen Frau, wobei an der Veränderung im Mietvertrag der Stempel des … beigefügt wurde.

Nunmehr ist die Klägerin Verwalterin der Wohnung, die auch Durchführung des Vermögenszuordnungsverfahrens der Stadt Guben gehört.

Mit Schreiben vom 09. November 1992 teilte der Beklagte der Klägerin mit, daß er mit Wirkung vom 06. November 1992 seinen Sohn und dessen Familie in die Wohnung aufgenommen habe. Er selbst verlegte zu dieser Zeit seinen Hauptwohnsitz in die … blieb jedoch unter der Adresse … mit Nebenwohnsitz behördlich angemeldet.

Am 14. Dezember 1992 mahnte die Klägerin den Beklagten mit der Erklärung ab, er habe den Gebrauch der Wohnung einem Dritten unbefugt überlassen. Bei Fortsetzung der Überlassung drohe fristlose Kündigung. Mit Schreiben vom 25. Mai 1993 kündigte die Klägerin dem Beklagten das mit ihm bestehende Mietverhältnis. Der Abmahnung und der Kündigung widersprach der Beklagte jeweils.

Das Amtsgericht hat die darauf von der Klägerin erhobene Räumungsklage abgewiesen. Es hat eine gleichzeitige Kündigung gegen die Ehefrau des Beklagten vermißt. Des weiteren ist nach Ansicht des Amtsgerichts die Aufnahme des Sohnes und dessen Familie keine unbefugte Gebrauchsüberlassung, welche eine Kündigung rechtfertigen würde.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie die Rechtsansicht des Amtsgerichts angreift.

Während des Berufungsrechtszuges erhielt auch die Ehefrau des Beklagten eine Abmahnung. Ihr wurde von der Klägerin mit Schreiben vom 24. Juli 1994 ebenfalls fristlos gekündigt.

Die Klägerin beantragt,

abändernd den Beklagten zur Herausgabe und Räumung der Wohnung zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigte das erstinstanzliche Urteil. Er behauptet, noch ein Zimmer in der Wohnung zu nutzen, und zwar als Arbeitszimmer.

Vor der Kammer wird zugleich der Rechtsstreit gegen den Sohn und die Schwiegertochter des Beklagten (AZ: 4 S 31/94 LG Cottbus, 21 C 57/93 AG Guben) verhandelt.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Amtsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

Das Räumungsbegehren der Klägerin gemäß § 556 Abs. 1 BGB ist nicht begründet, da das Mietverhältnis weder durch die fristlose Kündigung vom 25. Dezember 1993 gegenüber dem Beklagten, noch durch die spätere Kündigung vom 24. Juni 1994 gegenüber seiner Ehefrau beendet wurde.

1.

Zwar fehlt es nicht an dem Kündigungsgrund gemäß § 553 BGB. Vielmehr liegt vertragswidriger Gebrauch der Mietsache wohl vor.

Nach § 553 BGB kann dem Mieter fristlos gekündigt werden, wenn er ungeachtet einer Abmahnung einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache fortsetzt.

a) Abmahnungen bezüglich des Kündigungsgrundes sind gegenüber beiden Mietern erfolgt. Hier ist der zeitliche Abstand unbeachtlich, denn bei der Abmahnung ist nur darauf abzustellen, ob nach ihrem Zugang der Kündigungsgrund, hier also der vertragswidrige Gebrauch noch andauert. Nach beiden Abmahnungen aber dauerte der vertragswidrige Gebrauch weiter fort.

b) Ein vertragswidriger Gebrauch der Mietsache lag durch das Überlassen der Wohnung an den Sohn des Beklagten und seiner Familie vor. Denn zu einem vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache zählt auch das unbefugte Überlassen an einen Dritten.

Der Sohn des Beklagten und dessen Familie sind entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Dritte im Sinne der §§ 549, 553 BGB. Ihre Aufnahme in die Wohnung stellt ei...

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