Verfahrensgang

AG Bonn (Urteil vom 04.06.1985; Aktenzeichen 8 C 119/85)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 4. Juni 1985 – 8 C 119/85 – abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerinnen 1.712,40 DM (i.W.: tausendsiebenhundertzwölf 40/100 Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen seit dem 20. April 1985 zu zahlen.

Den Beklagten wird die Geltendmachung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Zu diesem Zwecke wird der Rechtsstreit an das Amtsgericht Bonn zurückverwiesen.

Die Kosten des Urkundenverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

 

Tatbestand

– ohne Tatbestand gem. § 543 Abs. 1 ZPO

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Den Klägerinnen ist es nicht verwehrt, ihren angeblichen Anspruch auf Zahlung von Mietzins (§ 535 S. 2 BGB) für die Monate März und April 1985 gegen die Beklagten im Wege des Urkundenprozesses gem. § 592 ZPO geltend zu machen.

Die Zahlung einer bestimmten Geldsumme

– hier: zweier Monatsmietzinsbeträge von je 856,20 DM –

kann im Wege des Urkundenprozesses verlangt werden, wenn sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können, § 592 S. 1 ZPO. Die anspruchsbegründenden Tatsachen haben die Klägerinnen vorzutragen und auch vorgetragen: den Abschluß des Mietvertrages, die Höhe der monatlichen Mietzinsbeträge und deren jeweilige Fälligkeit. Diese Tatsachen – die im übrigen unstreitig waren – haben sie durch Vorlage des Mietvertrages (§ 593 Abs. 2 S. 1 ZPO) belegt. Der Fortbestand des Mietvertrages gehört nicht zu den anspruchsbegründenden Tatsachen. Vielmehr mußten die Beklagten in ihrer Rechtsverteidigung, mit der sie die anspruchsvernichtende Tatsache der Beendigung des Mietvertrages vor Fälligkeit der eingeklagten Monatszinsbeträge vorgetragen haben, darlegen und mit den Mitteln des Urkundenprozesses (§ 595 II ZPO) beweisen:

die Kündigung, deren Zugang bei den Klägerinnen und die Berechtigung der Kündigungsgründe.

Für letzteres haben die Beklagten Beweismittel i.S.v. § 595 II ZPO nicht erbracht.

Gegen die Zulässigkeit der Geltendmachung von Mietzinsansprüchen im Urkundenprozeß sprechen nicht Sinn und Zweck des sozialen Mietrechts.

Zum einen differenziert § 592 ZPO nicht nach der Rechtsnatur der Schuldverhältnisse, aus denen der Anspruch auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme folgt. Zum anderen nimmt das soziale Mietrecht Rücksicht auf die Situation des Mieters als eines eine Wohnung Innehabenden, also darauf, daß dem Mieter sein räumlich – gegenständlicher Wohnbereich, sein Zuhause –, möglichst erhalten werden soll. Im Hinblick auf die Verpflichtung des Mieters zur Zahlung des Mietzinses ist ein solcher Bezug nur dann gegeben, wenn sich im Zusammenhang mit der Nichtzahlung des Mietzinses Folgen für seine Wohnsituation ergeben können, etwa für den Fall der Kündigung. Hier hat der Gesetzgeber aber im materiellen Mietrecht umfassend der besonderen Situation des Mieters Rechnung getragen, s. z.B. § 554 Abs. 2 BGB.

Auch ist der Mieter, der auf die Geltendmachung seiner Rechte im Nachverfahren verwiesen wird, nicht in einer dem Gleichheitsgebot des Art. 3 GG widersprechenden Weise in die gleiche Situation gestellt, in der sich ein durch Mahnbescheid oder Versäumnisurteil zur Zahlung verpflichteter Mieter befindet: daß dem letzteren – wenn auch nicht unbedingt in vorwerfbarer Weise – eine Säumnis und damit eine Vernachlässigung eigener Interessen anzulasten ist, bedingt nicht, daß die Situation des Nachverfahrens dem nichtsäumigen Mieter nicht zuzumuten ist.

Die Kammer ist im übrigen der Auffassung – die offenbar auch im Urteil des LG Hamburg vom 6. April 1984 – 11 S 29/84 – anklingt –, daß gerade angesichts der Bedeutung und der ausführlichen gesetzlichen Regelung des sozialen Mietrechts die Tatsache, daß der Gesetzgeber im Verfahrensrecht zur Verhinderung des Urkundenprozesses über Mietzinsansprüche nicht tätig geworden ist, dahin zu werten ist, daß eine derartige. Regelung nicht für notwendig erachtet wurde.

Im übrigen ist – soweit ersichtlich – in den Gesetzgebungsverfahren der letzten Jahre zur Novellierung der ZPO und des sozialen Mietrechts ein derartiger Vorschlag auch nicht erörtert worden.

Auch aus der Entscheidung des BGH vom 21. April 1982 – VIII ARZ 16/81, = BGHZ 84, 90, 97 – können die Beklagten nichts für die Unzulässigkeit des Urkundenprozesses zur Geltendmachung von Mietzinsforderungen herleiten. Im dortigen Prozeß ging es nicht um eine verfahrensrechtliche Frage, sondern um das durch § 57 A ZVG dem Ersteher in der Zwangsversteigerung eingeräumte – materielle – Sonderkündigungsrecht und seine Einbindung in das materielle Kündigungsrecht des BGB.

Die von den Beklagten aufgeworfene Frage der Zulässigkeit des Urkundenprozesses bei Mietzinsforderungen betrifft eine rein verfahrensrechtliche Frage, so daß die Einholung eines Rechtsentscheids nicht in Betracht kommt (OLG Oldenburg. RE v. 14.10.1980; OLG Hamm, RE v. 31.0...

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