Normenkette

HGB § § 325 ff., § 264 Abs. 3, § 290

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird die unter dem 07.07.2011 getroffene Ordnungsgeldentscheidung einschließlich der Festsetzung von Zustellungskosten aufgehoben.

Die außergerichtliche Kosten der Beschwerdeführerin, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, werden der Staatskasse auferlegt.

 

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin, die Tochterunternehmen einer Konzernmutter mit Sitz in den O ist, wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 2.500,00 EUR wegen Nichteinreichung der Jahresabschlussunterlagen 2008 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers.

Das Bundesamt für Justiz hat der Beschwerdeführerin die Verhängung des Ordnungsgeldes mit Verfügung vom 19.03.2010, zugestellt am 25.03.2010, angedroht.

Am 16.04.2010 hat die Beschwerdeführerin gegenüber dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers eine Befreiungsmitteilung nach § 264 Abs. 3 HGB eingereicht.

Das Bundesamt für Justiz hat durch die angefochtene Entscheidung vom 07.07.2011 das bezeichnete Ordnungsgeld festgesetzt und zur Begründung angegeben, dass die Beschwerdeführerin die Befreiungsvorschrift des § 264 Abs. 3 HGB nicht in Anspruch nehmen könne.

Gegen die ihr am 11.07.2011 zugestellte Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 22.07.2011 Beschwerde eingelegt. Das Bundesamt für Justiz hat der Beschwerde mit Entscheidung vom 11.10.2011, die der Beschwerdeführerin bekannt gemacht wurde, nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß §§ 335 Abs. 4, Abs. 5 S. 1 und 2 HGB statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.

Die gegen die Beschwerdeführerin ergangene Ordnungsgeldentscheidung war aufzuheben, weil jedenfalls eine schuldhafte Verletzung der Offenlegungspflichten nach §§ 325 ff. HGB unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls nicht festgestellt werden kann.

Grundsätzlich begründet schon das objektive Unterlassen der Offenlegung für sich gesehen ein klares Indiz für das gem. §§ 276, 278, 31 Abs. 1 HGB ausreichende Fahrlässigkeitsverschulden, denn eine Kapitalgesellschaft hat sich über Inhalt und Reichweite ihrer gesetzlichen Verpflichtungen zu informieren und durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass sie diesen auch nachkommt.

Dieser Grundsatz gilt im vorliegenden Fall jedoch nicht, denn die Frage, ob eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung auch in Fällen wie dem vorliegenden besteht oder ob das Tochterunternehmen eines Mutterkonzerns mit Sitz im europäischen Ausland (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) gemäß § 264 Abs. 3 HGB von der Offenlegungspflicht befreit ist, wird von verschiedenen Kammern des Landgerichts Bonn unterschiedlich beurteilt. Die Beschwerdeführerin selbst hat betreffend das Geschäftsjahr 2006 ein Beschwerdeverfahren vor der 10. Kammer für Handelssachen geführt, in dem ihr ein rechtlicher Hinweis erteilt worden war, demzufolge sie sich auf den Befreiungstatbestand des § 264 Abs. 3 HGB berufen könne (Verfügung vom 15.03.2010 - Az: 35 T 297/09, Anlage B3, Bl. ## d.A.; offengelassen im Beschluss vom 27.03.2012 - 35 T 293/11, veröffentlicht in www.nrw-e.de). Eine Schwestergesellschaft der Beschwerdeführerin hatte ein Parallelverfahren vor der 13. Kammer für Handelssachen geführt, in dem die Kammer die Auffassung vertreten hatte, § 264 Abs. 3 HGB sei gemäß § 290 HGB nur auf Tochtergesellschaften mit im Inland ansässigen Muttergesellschaften anwendbar (Beschluss vom 27.01.2011 - Az: 38 T 575/11; s.a. die Beschlüsse vom 06.12.2010 - Az: 38 T 1168/10 - und vom 07.04.2011 - Az: 38 T 1869/10, jeweils veröffentlicht in www.nrw-e.de, gegen die unter den Aktenzeichen 1 BvR 121/11 und 1 BvR 1295/11 Verfassungsbeschwerden anhängig sind, sowie den Beschluss der 6. Kammer für Handelssachen vom 8.12.2010, Az: 31 T 652/10, veröffentlicht in www.nrw-e.de).

Die Beschwerdeführerin, die die Auffassung vertritt, dass sie sich auf § 264 Abs. 3 HGB berufen könne, hat dementsprechend innerhalb der Nachreichungsfrist die (nach ihrer jedenfalls vertretbaren Rechtsauffassung) erforderlichen Veröffentlichungen im elektronischen Bundesanzeiger vorgenommen. Vor diesem Hintergrund durfte die Beschwerdeführerin davon ausgehen, sich gesetzesmäßig verhalten zu haben. Ein fahrlässiger und damit schuldhafter Rechtsirrtum lässt sich nicht feststellen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 3 Kost).

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin beruht auf § 335 Abs. 5 S. 7 HGB.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 2.500,00 EUR.

 

Fundstellen

Haufe-Index 4580566

DStR 2013, 13

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