Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Unwirksamkeit vereinbarter Kündigungsklauseln

 

Orientierungssatz

Die Mietvertragsklausel "Die Kündigung eines Mieters bewirkt die Kündigung des gesamten Mietverhältnisses" verstößt gegen AGBG § 9 Abs 1 und AGBG § 9 Abs 2 Nr 1 und ist daher unwirksam.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. Juli 1982 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt als Vermieterin die Beklagten als ihre Mieter auf Räumung und Herausgabe der von ihnen im Vorderhaus, 3. Obergeschoß, des Hauses ... in Berlin-... innegehaltenen 6-Zimmerwohnung nebst Nebengelaß in Anspruch.

Die Klägerin meint, das Mietverhältnis mit den Beklagten sei beendet, und stützt diese Auffassung auf die schriftliche Kündigung vom 25. März 1982 zweier Mitmieter, denen sie gemeinsam mit den Beklagten durch schriftlichen Vertrag vom 21 Juni 1977 die fragliche Wohnung vermietet hatte.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Kündigung durch die Mitmieter wirke auch gegenüber den Beklagten, da diese Wirkung in § 19 des Mietvertrages vereinbart worden sei.

Durch Urteil vom 22. Juli 1982, auf das Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.

Gegen dieses der Klägerin am 12. August 1982 zugestellte Urteil richtet sich deren am 7. September 1982 eingegangene Berufung, die sie am 17. September 1982 begründet.

Die Klägerin wiederholt im wesentlichen ihre Rechtsausführungen und macht insbesondere geltend, die Regelung in § 19 des Mietvertrages habe die Mitmieter bevollmächtigt, die Kündigung mit Wirkung für die Beklagten zu erklären. Angesichts der mietvertraglichen Vereinbarung sei ein ausdrückliches Auftreten der Kündigenden, auch im Namen der Beklagten die Kündigung zu erklären, entbehrlich gewesen.

Die Klausel sei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts üblich und weit verbreitet und deshalb keine Überraschungsklausel, zumal da der Vermieter ein berechtigtes Interesse habe, sich durch eine solche Klausel bei einer Vermietung einer Wohnung an eine Wohngemeinschaft zu schützen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten unter Änderung des angefochtenen Urteils als Gesamtschuldner entsprechend dem Klageantrag zur Räumung und Herausgabe zu verurteilen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meinen, die Vollmachtsklausel des § 19 des Mietvertrages betreffe keine Rechtshandlungen, die zur Beendigung des Mietverhältnisses führen würden. Geschäftsgrundlage der Vollmachtsvereinbarung sei das Bestehen der Wohngemeinschaft. Bereits aus dieser ausgeschiedene Mitglieder, wie hier die kündigenden Mitmieter, sollten zur Beendigung des Mietverhältnisses durch Kündigung mit Wirkung für noch die Wohnung nutzenden Mitglieder durch die Klausel nicht berechtigt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die statthafte Berufung wahrt die gesetzlichen Formen und Fristen und ist mithin zulässig. Begründet ist sie indessen nicht, denn das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Die Beklagten sind nicht zur Rückgabe der Wohnung gemäß § 556 Abs. 1 des BGB verpflichtet. Die Bestimmung setzt voraus, daß das Mietverhältnis beendet ist. Das ist nicht der Fall, denn die Kündigung der Mitmieter vom 25. März 1982 ist unwirksam.

Diese haben die Kündigung unstreitig im eigenen Namen erklärt. Ein ausdrückliches Handeln auch im Namen der Beklagten liegt nicht vor. Daß ein solches Handeln im Hinblick auf die Vereinbarungen in § 19 des Mietvertrages entbehrlich sei, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Die Regelungen in § 19 Absatz 2 Sätze 2 und 3 regeln allein die Vertretungsmacht im materiellrechtlichen Sinne sowie die Empfangsvollmacht.

Die Frage des Handelns unter fremden Namen regeln diese Vertragsvereinbarungen nicht. Jene richtet sich daher nach den allgemeinen bürgerlichrechtlichen Grundsätzen gemäß § 164 Abs. 1 des BGB. Danach kann sich zwar auch bloß aus den Umständen des Falles ergeben, daß die Erklärung im Namen des Vertretenen erfolgt. Solche Umstände liegen aber nicht vor, insbesondere nicht schon in der die Vertretungsmacht begründenden Vertragsklausel.

Die Kündigung durch die Mitmieter widerspricht daher dem Grundsatz, daß bei einer Mehrheit von Mietern alle Mieter die Kündigung zu erklären haben, damit diese wirksam ist.

Dieser Grundsatz folgt aus dem Gebot der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses, das bei Mehrheit von Mietern oder Vermietern einer rechtlichen Aufspaltung des Mietverhältnisses in Bezug auf einzelne Mieter oder Vermieter entgegensteht.

Der Mietvertrag erkennt diesen Grundsatz an, denn seinetwegen regelt er in seinem § 19 Abs. 3 Satz 2: "Die Kündigung eines Mieters bewirkt die Kündigung des gesamten Mietverhältnisses."

Trotz dieser Vertragsklausel ist die Kündigung der Mitmieter unwirksam, denn die Klägerin kann sich mit Erfolg auf diese Vereinbarung nicht berufen.

Zwar greift...

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